Schlagwörter
deutscher Entwicklungshelfer, Entführung, GIZ, Kunduz, Mazar-e Scharif, NSA
„Die US-Geheimdienste haben in einem weiteren Fall die Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) verweigert. Nach Informationen der ‚Welt’ aus Sicherheitskreisen kooperierte die amerikanische NSA auch nicht im Fall des bis vor Kurzem entführten deutschen Entwicklungshelfers Stefan E. in Afghanistan – trotz Anfrage des BND. Es gab demnach keinerlei Informationen aus den USA über den Verbleib des Deutschen. Das sei einmalig in der langen Zusammenarbeit der Dienste. (…)
Der BND fragt bei derartigen Fällen mehr als 20 Nachrichtendienste weltweit nach deren Erkenntnissen zu der Geisel oder den Entführern an. Es ist ein Geben und Nehmen. In der Vergangenheit waren es regelmäßig amerikanische Geheimdienste, allen voran die NSA, die Telefone orteten und so den Aufenthaltsort der Geisel benennen konnten.“
Florian Flade, Die Welt, 3.6.2015, S. 5 (hier geht’s zum Originalartikel)
Hintergrund:
Am Wochenende des 18./19. April 2015 war in Nord-Afghanistan der Deutsche Stefan E., Mitarbeiter der bundeseigenen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) von einer lokalen Taleban-Gruppe entführt worden. Er hatte sich in einem Taxi auf dem Weg von Kunduz nach Mazar-e Scharif befunden. Die Nachricht der Entführung war über die afghanische Polizei bekannt und am 23. April in deutschen Medien gemeldet worden. Eine Taleban-Gruppe unter dem Kommandeur Ghulam Hazrat in Kunduz bestätigte die Entführung.
Nach sechs Wochen tauchte der Entführte wieder auf. Die Süddeutsche Zeitung berichtete, in der Nacht zum 29. Mai sei es ihm gelungen, seinen Geiselnehmern zu entfliehen. Einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers tauchte er am 30. Mai an einem afghanischen Polizeiposten im ländlichen Kunduz nahe der Provinzhauptstadt auf, wo er „freudestrahlend im Kreise mehrerer Polizisten“ für Kameras posierte. Die Deutsche Welle berichtete in ihrem englischsprachigen Programm, dass die afghanischen Polizisten ihn an ihrem Checkpoint auf sich zukommen sahen und dann feststellten, dass er weder Dari noch Pashto sprach. Dann seien zwei Helikopter der „deutschen Spezialkräfte“ gekommen und hätten ihn auf einen Militärstützpunkt gebracht.
„Seine Freilassung verdankt er laut offizieller Darstellung den Bemühungen von Stammesältesten im Distrikt Chahar Dara, in dem die Taliban bereits zu Zeiten der Bundeswehrstationierung in Kundus aktiv waren“, heißt es in dem KStA-Bericht weiter. „Nach der Erfahrung vergangener Jahre und angesichts der Gemengelage ist jedoch anzunehmen, dass Lösegeld gezahlt wurde und wohl auch [Taleban-]Gefangene der afghanischen Regierung freikamen.“
(Quellen: Die Zeit: 23.4.15; SZ 30.5.15; KStA 30.5.15; Deutsche Welle, 30.5.15)
Man muss hinzufügen, dass die Überwachung des gesamten afghanischen Telefonverkehrs (siehe mein früherer Artikel hier) natürlich gegen die afghanischen Gesetze und damit illegal ist. Auch in Afghanistan ist das Fernmeldegeheimnis durch die Verfassung garantiert. In einem solchen Entführungsfall aber handelt es sich um Polizeiarbeit, in dem die Telefonüberwachung möglich wäre; die afghanischen Behörden würden sicherlich kooperieren. Die Kooperationsverweigerung des NSA jedoch ist pure Rache, und bedeutet ja auch nicht, dass nicht weiter abgehört wird.
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