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„Wer künftig Informationen über bevorstehende Abschiebungen verbreitet, der soll mit Gefängnis von bis zu drei Jahren bestraft werden. Die geplanten Regelungen lesen sich, als seien Flüchtlinge [und ihre Unterstützer] vogelfrei“, kommentiert Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung Pläne von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Dies bezog sich auf einen sogenannten Referentenentwurf des „Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“, auch als „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ bekannt, über das Medien im Februar berichtet hatten (siehe hier und hier).

Im Aufenthaltsgesetz sollte Passus eingefügt werden, der diejenigen unter Strafe stellt, die „ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde geplante Zeitpunkte oder Zeiträume einer bevorstehenden Abschiebung veröffentlichen, an einen unbestimmten Personenkreis gelangen lassen oder einem ausreisepflichtigen Ausländer mitteilen.“ Explizit gelte das auch für die Verbreitung in sozialen Netzwerken oder in einem geschlossenen Newsletter, Beratungsstellen und ehrenamtliche Flüchtlingsunterstützer – wie den Betreiber dieses Blogs.

 

Zumindest das soll einem neuen Bericht der Süddeutschen vom 11.4.19 zufolge „nach Verhandlung mit Justizministerin Katarina Barley und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD)“ nun vom Tisch sein. „Menschen, die Geflüchtete unterstützen, sind keine Kriminellen“, sagte Justizministerin Barley.

„Wir wollen durch die Strafbarkeit keine Nicht-Regierungs-Organisationen treffen und auch keine Journalisten“, sagte Seehofer der Zeitung. Und kündigte gleichzeitig an: „Wir konzentrieren uns auf die Quelle der Information, und das ist der Amtsträger. Wer Dienstgeheimnisse verrät, soll dafür bestraft werden.“ Im neuen Entwurf des Gesetzes, der der SZ vorliege, heiße es nun, „’Amtsträger’ dürften keine Abschiebetermine weitergeben. Aber auch, wer nicht im öffentlichen Dienst arbeitet, soll ‚wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Haupttat’ strafrechtlich verfolgt werden können.“ Das scheint eine Drohung an Anwälte zu sein, die von Gerichten in Kenntnis gesetzt werden müssen, wenn für ihre Mandaten Abschiebung angeordnet wird – woraus dann mögliche Abschiebetermine hervorgehen können.

Ganz klar ist die Sache hingegen wohl noch nicht, denn laut SZ sind nur Haftstrafen vom Tisch („Von drohenden Freiheitsstrafen ist im Entwurf nicht mehr die Rede“, so die SZ)

Ohnehin wäre das nur eine Teilentwarnung. Denn: Seehofer hält offenbar an den im Entwurf des „Geordnete-Rückkehr-Gesetzes“ enthaltenen weiteren Verschärfungen für Flüchtlinge fest, und auch die SPD scheint sich nicht daran zu stoßen. Sie hat offenbar einem Kompromiss zugestimmt, der die Haftandrohungen fallenlässt (also Drohungen gegen deutsche Wähler*innen), aber die Drohungen gegen Flüchtlinge aufrecht erhält: „Dafür“, schreibt die SZ, „sollen die Regeln für abgelehnte Asylbewerber mit Duldung verschärft werden“ und „wo Abschiebehaftplätze fehlen, sollen die Betroffenen in Strafanstalten bleiben“. Das war bisher rechtswidrig. Und: während ein neues Gesetz „Geduldeten mit sozialversicherungspflichtigem Job den dauerhaften Aufenthalt ermöglichen“ soll, solle das Geordnete-Rückkehr-Gesetz für mehr Abschiebungen sorgen.

Auch solle eine neue Form von Duldung „für Personen mit ungeklärter Identität“ kommen. Die SZ: „Abgelehnte Asylbewerber, deren Personalien nach drei Monaten noch unklar sind, sollen bestimmte Mitwirkungspflichten erfüllen, etwa Passersatzpapiere bei der Botschaft beantragen und der freiwilligen Ausreise zustimmen. Tun sie das nicht, droht ein Bußgeld oder gar Haft.“ Der Spiegel kommentiert, dies „würde Betroffene schlechterstellen als regulär Geduldete.“

Zudem, so der Spiegel, soll, wer als Asylbewerber „nicht alle ‚zumutbaren Handlungen’ vornimmt, um einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz zu erlangen, (…) künftig unter anderem ein Bußgeld drohen, das Arbeiten in Deutschland wäre nicht erlaubt, eine Ausbildungsförderung entfällt. Als zumutbar gilt zum Beispiel die rechtzeitige Antragstellung auf Papiere bei den Behörden des Herkunftslandes und unter bestimmten Umständen auch die Erfüllung der Wehrpflicht im Heimatland.“

„Ich glaube, dass wir einen ganz vernünftigen Interessensausgleich gefunden haben“, so Seehofer.

Noch mehr Einzelheiten zur nächsten Asylrechtsverschärfung hier bei Pro Asyl.

Laut Spiegel soll der Entwurf „am Donnerstag [also heute] an Verbände und die Länder verschickt werden, die nun ihre Stellungnahme abgeben können. Das Bundeskabinett soll wahrscheinlich am kommenden Mittwoch darüber entscheiden.“ Die SZ bestätigt diesen Termin. Sie zitiert weiter die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes, Maria Wersig, die den Zeitdruck bei diesem Vorgehen kritisiert. „Hier wird erneut ein sehr restriktiver Gesetzentwurf mit unzumutbaren Fristen in eine Verbändeanhörung gegeben. Zwei Tage für die Beurteilung seien zu kurz.“

Vor einigen Tagen wurde im Ergebnis einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion, die dem Evangelischen Pressedienst vorliegt, bekannt, dass sich die Zahl der per Sammelabschiebung abgeschobenen Afghanen im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt hat: „2018 wurden insgesamt 284 Menschen im Rahmen von Sammelabschiebungen in das Land am Hindukusch gebracht, wie aus hervorgeht, die. Im Vorjahr waren es den Angaben zufolge 121.“ Elf solcher Sammelabschiebungen fanden 2018 statt.

Die bisher letzte Sammelabschiebung nach Afghanistan aus Deutschland startete am 19.3.19, so dass die nächste Abschiebung turnusmäßig nächste Woche am 15. oder 16.4. stattfinden könnte. Mit einer Ausnahme fanden diese Abschiebungen zuletzt stets an einem Dienstag statt. Das könnte sich durch die Osterfeiertage aber auch verschieben.