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Ein ganzes Gesetzespaket zur weiteren Asyl(un)rechtsverschärfung durchzupeitschen versucht die Bundesregierung, besonders Innenminister Horst Seehofer (CSU). Dabei versucht sie auch, durch halsbrecherisches Anhörungstempo und eine “bewusst herbeigeführte Überforderung“ die Zivilgesellschaft – die nach hiesigen Gepflogenheiten angehört werden muss (die sogenannte Verbändebeteiligung) – auszumanövrieren.

Dazu hat die Regierung für Montag (3. Juni) ein Anhörungsmarathon angesetzt. Pro Asylschreibt dazu:

Am Montag finden im Bundestag gleich fünf Anhörungen in zwei Ausschüssen zu – größtenteils – Verschärfungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht statt. Es steht zu befürchten, dass diese Gesetze im Eiltempo durch den Bundestag gebracht werden“,. „Bei den zeitgleich verhandelten Gesetzentwürfen geht es um das Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung, das Zweite Hau-ab-Gesetz (vom BMI auch »Geordnete-Rückkehr-Gesetz« genannt), das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das Gesetz zur Entfristung des Integrationsgesetzes, das Dritte Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und das Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz.

Beitrag des Bundesheimatinnenministeriums zur Afghanistan-Asyldebatte: Kampagne für freiwillige Rückkehr im Gewinne-eine-Kaffeemaschine-Stil.
Foto: mit freundlicher Genehmigung von Wahid Watan-Yar.

 

Von einem sorgfältigen Gesetzgebungsverfahren kann angesichts dieser bewusst herbeigeführten Überforderung nicht die Rede sein, heißt es bei den Linken. Sie beklagen viel zu kurze Anhörungszeiten und „unverschämt“ kurze Fristsetzungen des BMI zur Stellungnahme „von wenigen Tagen (über ein Wochenende)“. In dieser Wahlperiode beliefen sich die Fristen für die Verbändebeteiligung im Aufenthalts- und Asylrecht auf einen bis zumeist drei Tage (mit einer Ausnahme). Bei Gesetzgebungsverfahren aus anderen Ressorts hätten die Fristen zur Rückmeldung für die Verbände in der Regel jedoch bei drei Wochen gelegen. Und während es in all diesen Gesetzen Änderungen der Referentenentwürfe durch die Verbändebeteiligung gab, sei dies mit einer Ausnahme nach Auskunft der Bundesregierung im Asylrecht in keinem Fall auch nur zu einer Änderung gekommen.

Ähnlich die Grünen (siehe hier im Tagesspiegel):Filiz Polat, ihre Migrationsfachfrau, kritisiert, man habe „nicht einmal mehr Sachverständige einladen können“ – zwischen Einbringung und Anhörungstermin lag nicht einmal eine Woche. Was in dieser Woche anlag, tangiere fast durchweg den Kern der bundesdeutschen Verfassung, den Grundrechtskatalog.

Vor dem Anhörungsmarathon hat ein Bündnis von 22 zivilgesellschaftlichen Organisationen – von Amnesty International und Pro Asyl bis zur Diakonie und dem Deutsche Kinderhilfswerk – einen Bundestagoffenen Brief an alle Abgeordneten des Bundestags geschrieben, um die geplanten Verschärfungen im Abschieberecht zu verhindern. Sie fordern die MdBs auf, Seehofers „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ nicht zu verabschieden. Das Gesetz würde viele Flüchtlinge „dauerhaft von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgrenzen, sie unverhältnismäßigen Sanktionen und einer uferlosen Ausweitung der Haftgründe aussetzen“, heißt es in dem Brief. Hier der Volltext:

https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Offener-Brief-Geordnete-Rückkehr-Gesetz.pdf

Auch die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, hat mit einem offenen Brief an die Vorsitzende des Innenausschusses vor einer Verabschiedung des „Hau ab II“-Gesetzes gewarnt– insbesondere vor einer damit verbundenen möglichen Kriminalisierung von FlüchtlingshelferInnen, vor unangekündigten Abschiebungen und vor einem verstärkten Einsatz der Abschiebungshaft im Kontext von Abschiebungen. Hier ihr Brief im Wortlaut:

https://rm.coe.int/letter-to-andrea-lindholz-chairwoman-of-the-committee-on-internal-affa/168094799d

Zudem berichten Medien wie die taz, dass es im Zusammenhang mit dem „Hau ab“-Gesetz eine manipulative Verwendung von Zahlen und mangelnde Qualität bei anderen Angaben gebe. Eine Überprüfung der laut Ausländerzentralregister (AZR) ausreisepflichtigen Personen in Hessen ergab 2017, dass nur in 63 Prozent der Fälle die betreffenden Personen tatsächlich ausreisepflichtig waren, so die taz. In seinem aktuellen Jahresgutachten warnt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Migration und Integration (SVR): „Falsche Zahlen können die öffentliche Wahrnehmung der Flüchtlingspolitik beeinflussen und zu verfehlten politischen Maßnahmen führen.“ Die Frage, ob das BMI die Zahlen aus dem AZR als verlässlich einstuft, ließ das Ministerium bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Auch dass Ausreisepflichtige angeblich Deutschland nicht in ausreichendem Maße verlassen würden – diese Behauptung liegt dem Gesetzespaket zugrunde – ist unzutreffend, wie Zahlen der Bundesregierung zeigen, die regelmäßig von der Fraktion der Linken erfragt werden und die Sebastian Ludwig für die Diakonie ausgewertet hat – hier:

https://www.diakonie.de/stellungnahmen/stellungnahme-zum-referentenentwurf-eines-zweiten-gesetzes-zur-besseren-durchsetzung-der-ausreisepfl/

und hier

Klicke, um auf Verlassen_ausreisepflichtige_Personen_Deutschland_nicht_-__Eine_Datenana….pdf zuzugreifen

Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Ulla Jelpke erklärte: „Obwohl selbst offizielle Zahlen etwas ganz anderes aussagen, ist es der Bundesregierung leider gelungen, angebliche Defizite bei Abschiebungen zu einem zentralen Thema der deutschen Politik aufzubauschen.“

 

Stellungnahmen von Sachverständigen zu den Anhörungen zum Asyl- und Aufenthaltsrecht sind hier abrufbar:

https://www.bundestag.de/ausschuesse/a04_innenausschuss/anhoerungen

Hier gesondert die Stellungnahme von Pro Asyl:

https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/PRO-ASYL_Stellungnahme_GE-Ausbildungs-und-Beschäftigungsduldung_30052019.pdf

 

Stellungnahmen für die Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales sind hier abrufbar:
https://www.bundestag.de/arbeit

 

Hier der aktuelle Stand der Gesetzesvorhaben laut Pro Asyl:

https://www.proasyl.de/news/marathonanhoerung-im-bundestag/

Mit Abschiebungen: „Wir sind nicht Menschenrechte“. Quelle: Pro Asyl.