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Hier wieder einmal ein Update meines Afghanistan- Blogs. Die Coronakrise und ihre Erschwernisse haben auch hier ihren Tribut gefordert. Bitte bleiben Sie aber trotz derzeit etwas verminderter Berichtsfrequenz bei Afghanistan Zhaghdablai aber weiterhin am Ball.

 

Der Krieg geht weiter, die Datenlage wird schwächer, aber die Sehnsucht nach Frieden bleibt groß: Schülerinnen und Schüler der Nawaabad-Schule in Ghasni heißen 2018 die Friedensmarschiererdes People’s Peace Movement (PPM) willkommen. Foto: PPM.

„Afghanistan: Der unsichtbare Krieg“

US-Militär und NATO – und auch afghanische Regierungsstellen – halten immer mehr Daten über den Afghanistan-Konflikt unter Verschluss. Darum geht es heute abend in einem Beitrag von Nikolaus Steiner im ARD-Magazin „Monitor“ („Afghanistan: Der unsichtbare Krieg“, Vorankündigung hier). Das betrifft Kerndaten, die Aufschluss über die Tendenz des Krieges geben – aber Übersichten, welchen der zirka 400 Distrikte Afghanistans welche Seite (Regierung oder Taleban) kontrollieren und in welchem Grade, wie viele Verluste die afghanischen Regierungstruppen einstecken müssen, wie viele Luftangriffe das US-Militär in Afghanistan fliegt und wie viele Angriffe die Taleban (im Vergleich zu den Regierungstruppen) initiieren werden seit Jahren nicht mehr veröffentlicht. Die Begründungen sind unterschiedlich: mal erheben US- und NATO-Militär diese Angaben (angeblich) nicht mehr (intern wird es wohl eine solche Berichterstattung geben), mal sei nun die afghanische Regierung für die Erhebung verantwortlich, mal – wie im Fall der Verluste – will angeblich die afghanische Regierung diese Daten nicht veröffentlichen. Es könnte sich negativ auf die Rekrutierung für die Streitkräfte auswirken.

Nur Zahlen zu den zivilen Kriegstoten in Afghanistan gibt es weiterhin – dank der Berichte der Vereinten Nationen (alle diese Berichte hier). Zudem gibt es regelmäßige Unterrichtungen des UN-Sicherheitsrates durch den UN-Sondergesandten für Afghanistan (hier und hier).

Wie wichtig diese Daten sind, geht aus meiner Einschätzung der Sicherheitslage 2019 in Afghanistan hervor (hier).

Vergangene Woche autorisierte US-Präsident Donald Trump zudem neue Sanktionen gegen Mitarbeiter des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, die mutmaßliche US-Kriegsverbrechen in Afghanistan untersuchen wollen. (Mehr zur ersten Sanktionsrunde hier und zur Blockade der afghanischen Regierung hier bei AAN.)

Was hinter der zunehmenden Intransparenz steckt – dazu werde ich im Monitor-Beitrag zitiert:

Für Afghanistan-Experte Thomas Ruttig steckt dahinter ein System. „Das ist eine eindeutige Verschleierungstaktik“, sagt er. Trump wolle so schnell wie möglich die US-Truppen abziehen. Dass die Entwicklungen in Afghanistan alles andere als positiv sind, könne der US-Präsident dabei nicht gebrauchen. „Wenn es keine konkreten Daten gibt, auf die man sich berufen kann, kann man leichter die öffentliche Meinung manipulieren und sagen, es läuft doch alles einigermaßen positiv. Aber das ist nicht der Fall“, so der Experte vom Afghanistan Analysts Network im Interview mit dem ARD-Magazin Monitor.

Der Beitrag stellt die Arbeit des unabhängigen Sonderbeauftragten der US-Regierung für den Wiederaufbau Afghanistans (SIGAR), John Sopko, in den Mittelpunkt, der regelmäßig Berichte für den US-Kongress und die Öffentlichkeit über die Lage in Afghanistan veröffentlicht: Über den Stand des Wiederaufbaus, die Sicherheitslage oder die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. (Hier finden sich alle SIGAR-Berichte.)

In Deutschland gab es solch detaillierte und regelmäßige Berichte noch nie – und einschätzende, öffentlich zugängliche Berichte zu Afghanistan schon lange nicht mehr. Bis 2014 veröffentlichte die Bundesregierung jährliche Fortschrittsberichte, die ein mehr oder weniger geschöntes Bild der Lage im Land zeichneten (der letzte Bericht findet sich hier). Im Februar 2018 folgte dann (bisher einmalig) der „Bericht der Bundesregierung zu Stand und Perspektiven des deutschen Afghanistan-Engagements“.Zudem gibt es den Asyllagebericht des Auswärtigen Amtes zu Afghanistan, mit einem kurzen analytischen Teil, der aber nur teilweise öffentlich zugänglich ist (hier mehr dazu).

Trump mag die SIGAR-Berichte nicht. Monitor hat erfahren, dass er im Januar 2019 in einer Kabinettssitzung gesagt haben soll: „Irgendein Sonderbeauftragter fährt da rüber und macht einen Bericht über jede Einzelheit, die passiert und sie geben das an die Öffentlichkeit weiter. Was ist das?“ fragte Trump. „Wir führen Kriege und die geben solche Berichte an die Öffentlichkeit? Das ist verrückt!“ Und an seinen Verteidigungsminister richtete er eine klare Botschaft: „Ich will, dass das nicht noch einmal vorkommt. Haben Sie das verstanden?“ Bis jetzt hat er Sopko nicht gefeuert – im Gegensatz zu so vielen anderen, die nur im entfernten seine Politik kritisierten.