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Der Friedensforscher Otfried Nassauer ist gestorben, schon vor drei Tagen, am 1. Oktober dieses Jahres. Das gab das von ihm 1991 gegründete Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) heute bekannt. Das ND (nicht mehr „Neues Deutschland“) und die taz („Beharrlich für den Frieden“) würdigen ihn mit Nachrufen. Seine Kommentare für das BITS , so das ND, befanden sich „sicherheitspolitisch auf hohem Niveau“. Auch für das ARD-Politmagazin arbeitete er – hier sein letzter Beitrag. Wir haben über die Jahre oft miteinander gesprochen; uns verband das Interesse an Afghanistan.

Otfried Nassauer (1956-2020). Foto: ND/Burkhard Lange

Hier ein paar ausgewählte Zitate von Otfried, zu unserem gemeinsamen Thema – und obwohl nicht aus den letzten Jahren doch immer noch aktuell:

Was fehlt, ist ein politisches Konzept für die dauerhafte Lösung des Konflikts. Die westlichen Regierungen mögen in der Lage sein, einen Krieg zu beginnen und ihn zu begründen. Schwer tun sie sich allerdings, wenn es darum geht, realistische und konzeptionelle Lösungen zu finden und Kriege zu beenden, wenn sie nicht mehr zu gewinnen sind. (…) Das deutsche Außenministerium (…) schaut zu sehr auf Washington, anstatt eigene Initiativen zu starten. Abwarten, was die USA vorschlagen und dann darauf reagieren, so lautet meist die Parole.

(aus einer Einschätzung für das NDR-Forum „Streitkräfte und Strategien“, 29.1.2011)

Als Stanley McChrystal im Juli 2009 Kommandeur aller US- und Nato-Truppen in Afghanistan wurde, erließ er einen Befehl: Weitreichendes Artilleriefeuer und Luftangriffe seien nur noch zulässig, wenn das Risiko, dass es zivile Opfer gibt, weitestgehend ausgeschlossen sei. Dem General war es ernst. Oberst Klein, der deutsche Kommandeur in Kundus, bekam das zu spüren. (…) Den kommandierenden US-Generälen ist klar, dass die Offensiven, mit denen die Aufständischen aus 80 Schlüsseldistrikten vertrieben werden sollen, auch Zivilisten das Leben kosten werden. Menschen können irren, Technik kann versagen, und afghanische Aufklärer können Aufständische dort ausmachen, wo tatsächlich Zivilisten leben, die aber einem konkurrierenden Clan angehören. Es wird also weitere zivile Opfer geben. Und zwar nicht zu knapp.

(taz-Kommentar 23.2.2010)

auf die Frage, was aus den von Wikileaks veröffentlichten Afghanistan Papers folgt:

Der Einsatz steckt tief im Schlamassel, so tief, wie es keiner zugeben will. Und trotzdem kann die Bundeswehr nicht von Heute auf Morgen komplett abgezogen werden. Notwendig ist eine ehrliche Lagedarstellung, eine realistische Vorgabe, was man noch erreichen kann und eine ebenso realistische Umsetzungsstrategie.

(ND, 29.7.2010)

Hier zu einem Schildbürgerstück deutschen Afghanistan-Engagements:

Kabul, 24. Januar 2006: Im Beisein von Botschafter Rainald Steck übergibt die Bundeswehr in Kabul eine Spende zum Wiederaufbau der afghanischen Sicherheitskräfte. Zehntausend überschüssige 9mm-Pistolen des Typs Walther P1 sollen dazu beitragen, dass Armee, Polizei und Kräfte des Innenministeriums ihre Aufgabe wirksam erfüllen können. Die Ende 2005 gelieferten Waffen werden in einem von US-Truppen geführten Depot in Kabul eingelagert und zu gleichen Teilen an Armee und Innenministerium verteilt. Drei Jahre später – so ergaben Recherchen des Hörfunksenders NDR-Info – können die Bundeswehrpistolen auf dem Schwarzmarkt erworben werden. (…)

Die Bundeswehr erklärte sich für unzuständig: Mit der afghanischen Seite sei ein Abkommen geschlossen worden, in dem diese sich „zur ausschließlichen Endverwendung der Pistolen durch die afghanischen Sicherheitskräfte verpflichtet. Eine Weitergabe an Dritte darf demnach nur mit schriftlicher Zustimmung der Bundesregierung erfolgen“, erklärte ein Ministeriumssprecher.

(Gastbeitrag für die Potsdamer Neuesten Nachrichten, 24.1.2006)

eine Einschätzung während der noch laufenden ersten Phase der US-geführten Intervention 2001:

Und schließlich die Taliban. Es ist schwer, einzuschätzen wie viel militärische Macht ihnen verblieben ist, wie sehr ihre Reihen durch die Flächenbombardements der USA gelichtet wurden. (…) ihr Rückzug in den Süden und Südosten des Landes (…) Dort – in gebirgigem und vertrautem Gelände – könnten diese Kämpfer ihre wohl größte Stärke, die Verbindung von normalen militärischen Operationen mit dem Guerillakampf ausspielen. Das Ende solcher Kämpfe [ist] noch lange nicht in Sicht.

(Gastbeitrag für den Tagesspiegel, 17.11.2001)