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Die Hiobsbotschaften aus Afghanistan reißen nicht ab. Gestern (13.10.2023) hat ein Selbstmordattentäter in einer schiitischen Moschee in Pul-e Chumri zahlreiche Menschen ermordet. Er hatte sich während des Freitagsgebets in der Imam-Zaman-Takiachana im Schiitenviertel Tschaharbagh der Hauptstadt der Provinz Baghlan in die Luft gesprengt.

Inzwischen übernahm der Islamische Staat (Daesch) über seinen Medienarm Amaq die Verantwortung für den Anschlag.

Szene nach dem Anschlag in Pul-e Chumri. Quelle: Hascht-e Sobh.


Maulawi Mustafa Haschemi, Provinzchef des Taleban-Informations- und Kulturministeriums in der Provinz sagte gegenüber der BBC, dass mindestens 7 Menschen getötet und 17 verletzt worden seien. Andere Berichte in sozialen Medien sprechen von weitaus mehr Opfern. Der im Exil lebende, aber im Land weiter gut vernetzte Journalist Bilal Sarwary berichtete unter Berufung auf Ärzte und Einwohner der Stadt von 41 Toten und 65 Verletzten. Darunter sei ein hoher Geistlicher, Sajed Baqir Haschemi.

Laut der oppositionellen Online-Zeitung Hascht-e Sobh, ebenfalls über soziale Medien, hätte sich die Explosion in den hinteren Reihen der Betenden ereignet, so dass vor allem Frauen und Kinder unter den Opfern seien. Hascht-e Sobh berichtete weiter, die Taleban hätten den Eingang zum Provinzkrankenhaus von Pul-e Chumri blockiert, Blutspenden verhindert und den Medien nicht erlaubt zu berichten.

Der IS operiert seit 2014 in Afghanistan. Er betrachtet Schiiten als vom Islam abgefallen. Seit die Taleban im August 2021 wieder die Macht in Afghanistan übernahmen, verübte die Organisation zahlreiche Angriffe auf religiöse Minderheiten wie die Hasaras und Sikhs, diplomatische Vertretungen und Taleban. Bei mehr als 190 Selbstmordattentaten wurden rund 1.300 Menschen verletzt oder getötet. Dabei ermordete sie u.a. zwei russische Botschaftsmitarbeiter.

Im März und Juni 2023 brachte der IS die Taleban-Provinzgouverneure von Balch und Badachschan um, hatte seither aber keine größeren Angriffe mehr verübt. In den vergangenen vier Monaten führten sie lediglich fünf kleinere Attacken auf Taleban aus, fast ausschließlich in der Provinz Kunar. Das widerspricht der UN-Einschätzung, dass die „operativen Kapazitäten“ des IS in Afghanistan gewachsen seien.

Dem Bericht eines US-Think Tanks zufolge war die Zahl der IS-Anschläge in Afghanistan (von Selbstmordanschlägen über gezielte Tötungen, Hinterhalte, Enthauptungen bis zum Einsatz improvisierter Sprengkörper) von 83 im Jahr 2020 auf 334 in 2021 gestiegen, dann aber wieder auf 170 in 2022 gesunken. Im Jahr 2020 richteten sich 7 Prozent der IS-Angriffe gegen die Taleban, im Jahr 2021 stieg dieser Wert auf 33 Prozent und im Jahr 2022 auf 72 Prozent.

Für 2023 liegt noch keine Übersicht vor, war aber (s.o.) augenscheinlich deutlich geringer.

Seit der Jahreswende 2020/21 kontrolliert der IS in Afghanistan kein Territorium meh, sondern agiert ausschließlich aus dem Untergrund. Seit der Gründung 2014 hatte die Gruppe sieben verschiedene Anführer; fünf davon wurden getötet, ein weiterer nach internem Disput abgesetzt. Auch vom gegenwärtigen Anführer, Schahab al-Muhadscher, ist unklar, ob er noch lebt. Im Juni 2023 hieß es, er sei getötet worden – der Bericht konnte aber bisher nicht zweifelsfrei bestätigt werden. Im Mai wurde der ISKP-Vizechef getötet, im Februar der ISKP-Militärchef.

Die Taleban bekämpfen den IS brutal (hier, S. 15), sind aber wie die Vorgängerregierung nicht in der Lage, ihn vollständig unter Kontrolle zu bringen. Anfang Oktober nahmen die Taleban mit Sheikh Abu Yazid Abdul Qahir Khorasani einen der wichtigsten religiösen Führer des IS in Afghanistan fest, der ebenfalls aus Kunar stammt.

Im Juni hatte der IS die Verantwortung für einen Anschlag auf eine Trauerfeier in einer Moschee in Badachschan für den Taleban-Polizeichef der Provinz übernommen. Dabei kamen mindestens elf Menschen ums Leben. Auch für den Anschlag auf den Polizeichef mit einer Autobombe hatte der IS sich verantwortlich erklärt.