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Schweden hat am Dienstagabend (28.3.17) zehn Afghanen an Bord eines unter Regie der EU-Agentur Frontex ausgeführten Abschiebefluges nach Kabul abgeschoben, deren Asylantrag in Schweden abgelehnt worden war. Das berichtete am 30.3.17 die taz.

Bemerkenswert ist, dass es sich dabei offensichtlich um den ersten von mehreren Ländern durchgeführten gemeinsamen Abschiebeflug auf der Grundlage des EU-afghanischen Rahmenabkommens (offiziell „Joint Way Forward“, Text hier) über Migrationsfragen handelte – denn, wie die taz kurz bemerkte, flog die Maschine „nach Wien und von dort (…) nach Kabul“.

Die Salzburger Nachrichten bestätigten, dass es sich dabei „für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) um den ersten gemeinsam koordinierten Flug nach Afghanistan seit Unterzeichnung der gemeinsamen Vereinbarung der EU und Afghanistan im Oktober 2016“ gehandelt habe. Und dass „19 Afghanen“ an Bord gewesen seien. Der Standard spricht hingegen von insgesamt 21 Abgeschobenen, das wären dann 11 aus Österreich – aber im gleichen Artikel von „mindestens sieben“. (Zu Österreich mehr unten.)

Die schwedische Initiative Vi står inte ut („Wir halten das nicht aus“) . Foto: Vi står inte ut

 

In Kabul war vor einigen Wochen bereits zu hören gewesen, dass Schweden, Finnland und Österreich einen ersten gemeinsamen Flug planten. Über eine finnische Beteiligung an diesem Flug habe ich in der letzten Tagen nichts gefunden. Allerdings hat Finnland in den vergangenen Monaten bereits zweimal solche Abschiebeflüge nach Kabul eigenständig durchgeführt – jeweils mit drei Passagieren(!). Im Dezember 2016 hatte der britische Guardian berichtet, dass Schweden und Norwegen mit einem gemeinsamen Flug 13 bzw 9 abgelehnte afghanische Asylbewerber nach Kabul ausgeflogen hätten.

Der Standard schrieb am 31.3.17:

Im Tagesabstand treffen in diesen Wochen abgeschobene Afghanen aus den verschiedensten EU-Staaten am Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul ein: aus Norwegen und Schweden, den Niederlanden, Deutschland sowie Österreich, einzeln in Linienflügen ebenso wie gruppenweise in eigens gecharterten Fliegern. 

Zahlen zu den Niederlanden, die offenbar v.a. reguläre Linienflüge für Abschiebungen verwenden, gibt es kaum Zahlen. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière hatte allerdings in den ARD-Tagesthemen am 20.2.17 auch die Niederlande als abschiebende Nation genannt. Und der Standard schrieb am 30.3.17:

Für Freitagfrüh nach Kabuler Ortszeit [31.3.17] wurde laut [der Kabuler Nichtregierungsorganisation] Amaso indes die Ankunft einer aus den Niederlanden abgeschobenen alleinstehenden Frau mit drei Kindern erwartet.

 

Zunächst zurück zu Schweden. Wie das dortige Unterstützer-Netzwerks „Vi står inte ut“ („Wir halten das nicht aus“) mitteilte (laut taz),

… waren zuvor rund 20 junge Afghanen, die teilweise als alleinreisende Jugendliche vor ein- bis zweieinhalb Jahren ins Land gekommen waren, in das bei Göteborg liegende Lager Kållered gebracht worden. Für die anderen [rund zehn] Afghanen konnte die Abschiebung in letzter Minute gerichtlich verhindert werden.

Mit 14 von ihnen habe man Kontakt gehabt, berichtet Skoglund: „Sie sprechen Schwedisch, sind ambitioniert, teilweise Musterschüler, haben beste Voraussetzungen, eine wertvolle Ressource für unsere Gesellschaft zu werden.“ Bei vielen hätte Migrationsverket [das schwedische BAMF] das „amtliche“ Alter auf über 18 Jahre hochgesetzt – minderjährige abgelehnte Asylbewerber werden derzeit nicht abgeschoben. Man wisse, dass die meisten keine Familie oder ein Netzwerk in Afghanistan hätten, einige hätten vor ihrer Flucht lange in Iran oder anderen Ländern gelebt.

Weiter schreibt die taz:

Mehr als 35.000 unbegleitete Minderjährige waren 2014 und 2015 nach Schweden gekommen, bevor Stockholm die Grenzen dicht machte, 23.000 aus Afghanistan. Laut einer Studie der Universität Upsala zeigen 76 Prozent der untersuchten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge posttraumatische Stresssymptome, ein Drittel habe aktive Selbstmordgedanken. Eine offizielle Statistik gibt es nicht, aber laut Vi står inte ut haben sich in den letzten drei Monaten mindestens sieben minderjährige Flüchtlinge das Leben genommen. Der letzte am Montag. „Sie sterben lieber, als zurückzumüssen“, sagt [Kinna] Skoglund [von Vi står inte ut].

 

Und nochmal zu Österreich: Die genauen Zahlen, wie viele Afghanen am 28.3.17 aus Österreich abgeschoben wurden, bleiben bisher unklar (siehe oben).

Zuvor hatte es laut des österreichischen Tageszeitung Der Standard vom 15.3.17 aber auch schon eine Reihe von Abschiebungen per Linienflug gegeben, und deren Zahl nehme aktuell zu:

Insgesamt fünf bis sechs Mal wurden in den vergangenen zwei – und werden in den kommenden zwei – Wochen negativ beschiedene Flüchtlinge aus dem Land am Hindukusch zwangsweise aus Wien in die afghanische Hauptstadt zurückgeflogen. Dabei wird ganz offensichtlich von der bisherigen Praxis abgegangen, nur Afghanen in ihre Heimat abzuschieben, die straffällig geworden sind – wie es der Leiter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Wolfgang Taucher, noch im Jänner der Austria Presse Agentur sagte. 

Auch bisher geschützten, nicht straffällig gewordenen Jugendlichen werde offenbar die Aufenthaltsberechtigung entzogen. Die Zeitung schildert einen Fall:

Darin geht es um einen in Wien lebenden jungen Mann aus Afghanistan (Name der Redaktion bekannt), der 2012 unbegleitet und minderjährig nach Österreich kam, subsidiären Schutz erhielt und inzwischen über 18 Jahre alt ist. Die Behörde bescheidet ihm: „Sie sind durch eine Rückkehr nach Afghanistan keiner realen Gefahr mehr ausgesetzt.“ Aufgrund der „nunmehrigen Volljährigkeit“ komme außerdem „Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht“: Es sei dem Mann zumutbar, sich in Kabul eine Existenz aufzubauen. Daher, so der Bescheid, werde dem jungen Mann der subsidiäre Schutz „aberkannt“. Die entsprechende Aufenthaltsberechtigung werde ihm „entzogen“, seine Abschiebung nach Afghanistan sei „zulässig“.

Auch Dublin-Fälle werden aus Österreich abgeschoben, ein Beispiel hier, wo ein junger Afghane nach Kroatien zurückgeschoben wurde.

Laut demselben Bericht des Standard wurde Asylwerbern aus Afghanistan 2016 nur zu rund 30 Prozent ein Positivbescheid oder subsidiärer Schutz in Österreich beschieden.

In einigen Fällen gelang es aber auch in Österreich, Abschiebungen nach Afghanistan zu verhindern (ein Fall hier).