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Mit 44 Menschen an Bord ist heute (4.12.19) morgen der 30. deutsche Sammelabschiebeflug in der afghanischen Hauptstadt Kabul eingetroffen. Das meldete die Bild-Zeitung jetzt aus München. Der Start der Chartermaschine dort sei „unter den Augen von Bayerns Innenstaatssekretär Gerhard Eck (59, CSU) und einem [sic] hochrangigen Beamten des Bundespolizeipräsidiums“ erfolgt. Das ist gleiche Anzahl wie bei der Sammelabschiebung im Vormonat Oktober.

24 der 44 Afghanen seien von Bayern abgeschoben worden, [korrigiert: darunter elf Straftäter, die wegen sexueller Nötigung, Drogendelikten, Körperverletzung, tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte verurteilt worden seien]. Die anderen 20 seien aus den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein, Sachsen und Sachsen-Anhalt gekommen, davon [korrigiert: 16] weitere Straftäter. Laut dpaumfasse das Spektrum der Straftaten hier unter anderem Vergewaltigung, schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Betrug.

Die Zahl der Straftäter auf diesem Flug – 27 von 44 – liegt vergleichsweise niedrig, und bestätigt frühere Angaben von Flüchtlingsräten, dass immer wieder unbescholtene und gut integrierte Flüchtlingen unter den Abgeschobenen seien.

Die deutschen Behörden hatten diese Abschiebungen nach zehnjährigem, aus humanitären Gründen eingerichtetem Moratorium im Dezember 2016 wieder aufgenommen. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als eine zunehmend hohe Zahl von Flüchtlingen – darunter viele Afghanen – über die inzwischen abgeschottete Balkanroute in Europa eintrafen, während in Afghanistan der Krieg eskalierte.

Seither hat Deutschland nun insgesamt genau 800 abgelehnte afghanische Asylbewerber in das weltweite Kriegsland Nummer 1 abgeschoben. Zwischen Juli und September lag die Zahl ziviler Opfer mit fast 1200 Getöteten und mehr als 3100 Verletzten höher als in jedem Quartals seit Beginn der systematischen Aufzeichnung durch die UN im Jahr 2009.

Nachtrag zur November-Abschiebung:

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert per Pressemitteilung vom 20.11. die Abschiebung eines 23-jährigen Mannes aus dem Landkreis Celle nach Afghanistan am 6. November 2019 scharf.

Kai Weber, Geschäftsführer Flüchtlingsrat Niedersachsen, kritisierte, dass die niedersächsische Landesregierung ganz offenbar die Schwelle für Abschiebungen nach Afghanistan gesenkt hat. So hat der Mann lediglich nach strafrechtlicher Verurteilung eine Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen erhalten, die bereits abgegolten war. Weber sagte: „Es handelte sich bei dem Mann keineswegs um einen schweren Straftäter. Im Gegenteil: Der junge Mann hat frühzeitig großen Integrationswillen gezeigt, die Sprache gelernt und Arbeit aufgenommen. Er wusste, dass er zu Beginn einen Fehler gemacht hatte. Seine Strafe war aber längst verbüßt. Der Landkreis Celle hat dennoch im vollen Wissen um diesen Integrationswillen bewusst die Abschiebung betrieben. Wir erwarten von Innenminister Pistorius, dass er solche Abschiebungen in Zukunft stoppt.“

Nach Informationen des Flüchtlingsrats Niedersachsen hat der Mann, der im Herbst 2016 nach Deutschland kam, bereits rund ein halbes Jahr danach eine erste sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in einem Lebensmittelbetrieb aufgenommen. Seit April 2018 ist der Mann im Arbeitsmarktprojekt TAF – Teilhabe am Arbeitsmarkt für Flüchtlinge begleitet worden und hat regelmäßig Sprachkurse besucht. Sein großer Integrationswille zeigte sich auch darin, dass er noch im Juni 2019 vom Landkreis Celle die Erlaubnis für eine neue sozialversicherungspflichtige Stelle erhielt. Der Arbeitgeber machte dann aber einen Rückzieher, weil der Landkreis Celle bereits massiv die Abschiebung vorantrieb und dem Mann die Duldung entzog.

Dieser Text wird bei einlaufenden neuen Nachrichten weiter aktualisiert – also bitte immer mal wieder reinschauen.

Hier meine Vorberichterstattung mit einem Pro-Asyl-Positionspapier und zwei Studien zur Lage abgeschobener und „freiwillig“ zurückgekehrter Afghanen lesen.

Foto: Ruttig

 

Hier die Übersicht über die bisherigen Sammelabschiebeflüge aus Deutschland:

2019:

Dez: 44

Nov: 36

Okt: 44

Aug: 31

Juli: 45

Juni: 11

Mai: 24

April: 32

März: 21

Feb: 38

Jan: 36 (einer zurück geschickt, d.h. 35)

2019 insgesamt: 361

 

2018:

Dez: 14

Nov: 42

Okt: 17

Sept: 17

August: 46

Juli: 69

Juni: —

Mai: 15

Apr: 21

März: 10

Feb: 14

Jan: 19

Summe 2018: 284

 

2017:

Dez: 27

Nov: —

Okt: 14

Sept: 8

Mai-Juli: —

Apr: 14

März: 15

Feb: 18

Jan: 25

Summe 2017: 121

 

2016:

Dez: 34

 

Gesamtsumme seit Dez 2016: 800

Sogenannte Dublin-Fälle – also Rückschiebungen in andere EU-Erstankunftsländer, von wo aus weiter nach Afghanistan oder z.B. in die Türkei abgeschoben sein worden könnte – sind hier mangels Statistik nicht inbegriffen.