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Die ultrakonservative Führung der Taleban hält weiter am Ausschluss der Mädchen aus weiterführender Bildung nach Klasse 6 fest. Das wurde deutlich, als sie erneut die Öffnung solcher Schulen rückgängig machte – diesmal in der Südostprovinz Paktia. Dort waren Anfang September auf Betreiben örtlicher Stammesführer und der Schuldirektoren fünf solcher Schulen wiedereröffnet worden, vier in der Provinzhauptstadt Gardes und eine im Distrikt Tsamkanai (auch als Tschamkani bekannt). Ein andere Quelle meldete, die Schulen seien bereits am 20. August geöffnet worden und auch örtliche Taleban-Offizielle hätten den Schritt unterstützt. Die betroffenen Schülerinnen gab es Verzweiflung und Tränen (Video hier).

Der Chef des für Presseangelegenheiten zuständigen Provinzdirektorats für Information und Kultur bestätigte die Öffnungen „in den vergangenen zwei Tagen“ am 5. September, und sagte, es habe dafür keine offizielle Order gegeben. Die örtlichen Behörden unternahmen aber offenbar zunächst auch keine Schritte zur Verhinderung der Wiedereröffnungen. Ebenfalls am 6. September hatte Taleban-Sprecher Sabihullah Mudschahed bei einer Pressekonferenz in Kabul auf entsprechende Anfragen erklärt, man habe keine Informationen darüber. Schulöffnungen müssten vom Bildungsministerium angeordnet werden und wenn dies geschähe, dann simultan im ganzen Land.

Nachdem die Mädchen der betreffenden fünf Schulen am Morgen des 10. September wieder nach Hause geschickt wurden, kam es zu einem Straßenprotest in Gardes, an dem sich mehrere Dutzend Schülerinnen und Lehrerinnen beteiligten (Videos davon hier und hier). Die Taleban trieben sie mit Schüssen in die Luft auseinander. Auch an der Simin-Akbari-Schule in Tsamkanai sollen die Taleban einen Protest auf diese Weise beendet haben. Das bestätigten auch meine lokalen Quellen in der Provinz. Sie bestätigten allerdings nicht Berichte in sozialen Medien, dass auch protestierende Mädchen festgenommen worden seien.

Protestierende Schülerinnen am 10. Sptember in Gardes (Paktia). Foto: Rukhshana.

In sozialen Medien wandten sich auch Eltern und Lehrer gegen die Schulschließungen, auch in anderen Provinzen (siehe z.B. hier und hier). Kritik gab es auch wieder aus den Reihen der Taleban.

Matiullah Wisa, Leiter der NGO Pen Path, die in Süd-Afghanistan u.a. die Mädchenbildung fördert, berichtete aus dieser Region von großer Enttäuschung unter Schülerinnen, dass sie mit dem dortigen Beginn des Schuljahres weiter ausgeschlossen bleiben. In den sogenannten „warmen Gebieten“ Afghanistans gibt es ein anders terminiertes Schuljahr. Aus der Provinz Urusgan wurde berichtet, dass die dortige Taleban-Bildungsverwaltung die Verträge von Lehrerinnen nicht verlängert habe und diese daher seit einigen Tagen nicht mehr zur Schule kämen.

Nach den Protesten nahmen die Taleban nach Angaben des Afghanistan Journalists Center, einer unabhängigen Organisation, vier lokale Journalisten zeitweilig fest, befragten sie, durchsuchten ihre Telefone und warnten sie, bei ihrer Berichterstattung Vorsicht walten zu lassen. Ähnlich ging es sozialen Medienberichten zufolge auch männlichen Angehörigen der protestierenden Mädchen; sie seien aufgefordert worden, es den Mädchen nicht noch einmal zu erlauben zu protestieren. Auch die Direktoren der fünf Schulen seien festgenommen worden. Ob auch sie inzwischen wieder frei kamen, ist unklar. Meine lokalen Quellen bestätigten beide Vorkommnisse. In Medienberichten war von mindestens acht Journalisten die Rede. Auch mehrere Mitarbeiter der Bildungsverwaltung von Paktia seien unter dem Vorwurf verhaftet worden, die Protestdemonstration nicht verhindert zu haben.

Nach den Schulschließungen in Paktia meldete sich Taleban-Bildungsminister Scheich Nurullah Munir zu Wort und erklärte, dass „[viele] Menschen es nicht gern sehen, wenn ihre Töchter zur Schule gehen.“ Man wolle nicht die Fehler der vorigen Regierung wiederholen (Video hier). Dass es nach den Schulschließungen erneut zu Protesten kam – und wohl zum ersten Mal in Südost-Afghanistan – zeigt aber, dass die Taleban hier den Wünschen großer Teile der Bevölkerung zuwider handeln.

Mädchenschule in Gardes, hier als Wahllokal 2010. Foto: Thomas Ruttig.