Schlagwörter

, , , , , , , ,

Hiermit meldet sich Afghanistan Zhaghdablai aus seiner Neujahrspause zurück (mit besten Wünschen für 2023 für alle Leserinnen und Leser dieses Blogs) – zunächst einmal mit einer zumindest teilweise positiven Nachricht:

Die Taleban teilten per Brief ihres Bildungsministers Al-Hadsch Maulawi Habibullah Agha vom 8. Januar d.J. offiziell mit, dass staatliche Mädchenschulen bis einschließlich Klasse 6 und private Lernzentren für denselben Altersbereich weiterarbeiten sollen, ebenso alle Koranschulen (Madrassas) für Mädchen ohne Altersbeschränkung. Nicht nur das: In dem Brief, den das in Kabul tätige Nachrichtenportal Tolonews noch am gleichen Tag veröffentlichte, fordert der Minister sogar die Behörden in Provinzen, wo solche Einrichtungen geschlossen wurden, auf, sie wieder zu öffnen.

In einem gesonderten Absatz wird mitgeteilt, dass auch von Nichtregierungsorganisationen geführte Mädchenschulen bis Klasse sechs weiterarbeiten und Lehrerinnen dort tätig sein dürfen, so lange sie das Verschleierungsgebot (Hidschab) beachten und eine Genehmigung des Ministeriums besitzen.

Allerdings wird in dem Brief noch einmal darauf hingewiesen, dass Mädchenschulen ab Klasse 6 „bis auf weiteres“ nicht zugelassen sind.

Der Brief des Taleban-Bildungsministers. Quelle: Tolonews.


Tolonews fügt hinzu, dass es bisher weder ein offizielles Dementi noch eine Bestätigung des Briefes gebe. Seither ist mir auch nichts dergleichen bekannt geworden, so dass man wohl von der Echtheit des Briefes ausgehen kann.

Ich hatte selbst Ende Dezember deutschen Medien gegenüber geäußert, nachdem entsprechende Gerüchte in Afghanistan aufgekommen waren, dass ich es „nach der Erfahrung mit dem Universitätsverbot … nicht einmal mehr ausschließen“ könne, „dass die Taliban alle Mädchenschulen schließen“.

Streit um Frauen-Firmen

In den vergangenen Tagen hatte afghanische Medien im Land sowie im Exil berichtet, dass in einigen Provinzen des Landes von der Vorgängerregierung eingerichtete Frauenmärkte sowie Schönheitssalons geschlossen worden seien.

Am 6. Januar hatte die von Ausland aus operierende Frauen-Nachrichtenseite Ruchschana aus der Stadt Masar-e Scharif berichtet, dass die Provinzverwaltung des Tugendministeriums (Vice & Virtue) für Balch Besitzerinnen von Unternehmen und „Verkäuferinnen“ (offenbar Inhaberinnen von Marktständen angewiesen habe, innerhalb von zehn Tagen ihre Geschäfte zu schließen. Dies hätten Business-Frauen aus der Stadt berichtet.

Ruchschana zitierte eine betroffene Frau vom City Walk-Markt mit den Worten: „Heute morgen kam die Sittenpolizei der Taleban auf den Markt und überprüfte, ob alles in Ordnung sei. Wir trugen alle Hidschab. Dann gingen sie zum Büro des Marktleiters. Ein paar Minuten später kam einer der männlichen Ladenbesitzer und erzählte uns, dass die Taleban gesagt hätten, Frauen sollten ab nächster Woche nicht mehr auf den Markt kommen.“ Doch nur wenige Minuten später sei es bestätigt worden: „Der Leiter des Marktes kam und sagte, die Sittenpolizei habe den Frauen gesagt, sie sollten ab morgen nicht mehr auf den Markt kommen, aber er habe um eine Woche Aufschub gebeten.“ Allein auf dem City Walk-Markt gebe es 30 Geschäfte, die von Frauen geführt würden (hier ein kurzes Video von einem Frauenmarkt in Masar).

Die in Kabul arbeitende Nachrichtenwebseite Kabul Now, die dem Ex-Präsidenten Hamed Karsai und dem früheren Kultur- und Informationsminister Abdul Karim Chorram nahestehen soll, berichtete am 10. Januar unter Berufung auf anonyme lokale Quellen, dass das die Vice & Virtue-Verwaltung für Baghlan Friseur- und Schönheitssalons zehn Tage Frist zu ihrer Schließung gegeben haben soll. Andere seien aufgefordert worden, sich an das Verschleierungsgebot zu halten. Das aus dem Ausland sendende Zan TV (Frauen-TV) berichtete am gleichen Tag, dass Besitzer von Marktständen in Baghlans Hauptstadt Pul-e Chumri angewiesen sein worden, nicht an Schönheitssalons für Frauen zu vermieten. Laut der ebenfalls ins Exil abgewanderten Online-Zeitung Hascht-e Sobh (8 Uhr morgens), seien es die Marktstandbesitzer gewesen, die sich eine 10-Tages-Frist ausgedungen hätten. Hascht-e Sobh berichtete auch, die Taleban hätten bereits Schönheitssalons in Baghlan sowie in den Provinzen Kundus, Tachar und Badachschan geschlossen.

Am Folgetag widersprach ein Sprecher des Tugendministeriums, Muhammad Sedik Akif,diesen Berichten. Er sagte, es seien Bemühungen im Gange, den Händlerinnen einen „angemessenen Ort“ zur Verfügung zustellen und dass, so lange das nicht geschehen sei, sie an Ort und Stelle bleiben könnten.

Bereits am 3. Januar hatte die Nachrichtenagentur der Taleban-Regierung, Bachtar, von einer Unternehmerin namens Zarmina Nawabi berichtet, die in Pul-e Chumri eine Nahrungsmittelfabrik eröffnet und dort für 30 Frauen Arbeitsplätze geschaffen hätte. In der Fabrik namens Chorasan, in die sie zwei Millionen Afghani (gut 20.000 Euro) investiert habe, würden Marmeladen, Pickles, Pasten, Kuchen, Kekse und andere Süßigkeiten hergestellt. In der Stadt seien weitere von Frauen geführte Unternehmen aktiv.

Auch dpa und n-tv berichteten inzwischen kurz.

Unternehmerin Nawabi in Pul-e Chumri. Foto: Bachtar.