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Die EU und Afghanistans Regierung haben am 2. Oktober in Kabul nach sechs Monate dauernden Verhandlungen eine Vereinbarung über die „würdevolle, sichere und geordnete“ Rückführung afghanischer „irregulärer Migranten“ nach Afghanistan unterschrieben, denen „nach Berücksichtigung aller relevanten internationalen Gesetze  und gesetzlicher Prozeduren kein internationaler Schutzstatus gewährt werden kann“. Es geht also um abgelehnte Asylbewerber und Flüchtlinge. Das geschah nur wenige Tage vor der heute in Brüssel stattfindenden Afghanistan-Konferenz (hier ein Vorab-Bericht von Spiegel online; die Eröffnungsrede von EU-Außenkommissarin Federica Mogherini hier).

Das Dokument trägt den Titel „Joint Way Forward on migration issues between Afghanistan and the EU“ (zum Lesen hier entlang) und enthält einen Anhang über ein „vorgeschlagenes Reintegrationspaket“ für die „Rückkehrer“. Außerdem wird angekündigt, dass beide Seiten einen „Hochrangiger Dialog über Migration“ führen werden. Die erste Runde fand bereits am 4.10.16 in Brüssel statt (hier die EU-Pressemeldung dazu). Dabei seien „Prioritäten bei der glatten Umsetzung“ der Vereinbarung besprochen und vereinbart worden, dass die vereinbarte  Gemeinsame Arbeitsgruppe zu dem Thema sich „in der nahen Zukunft“ erstmals treffen werde.

Hier die dpa-Meldung zum EU-Abkommen, so wie von der Neuen Zürcher Zeitung veröffentlicht. Der Link zum Text der EU-Afghanistan-Vereinbarung (bisher nur in Englisch) am Ende des Textes.

 

Asylbewerber aus Afghanistan:

EU veröffentlicht unter Verschluss gehaltene Abschiebevereinbarung

5.10.2016, 06:55 Uhr

(dpa) Die Europäische Union hat die bislang unter Verschluss gehaltene Abschiebevereinbarung mit der afghanischen Regierung veröffentlicht. Aus dem am Dienstagabend online gestellten Dokument geht hervor, dass es die EU-Staaten künftig deutlich einfacher haben werden, abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan in ihre Heimat zurückzuschicken. Die Regierung in Kabul sagt dafür unter anderem die schnelle Ausstellung von Reisedokumenten zu. Am Flughafen in Kabul soll zudem sogar der Bau eines speziellen Terminals für Abschiebeflüge geprüft werden. Die EU verpflichtet sich im Gegenzug, sämtliche Reisekosten zu tragen und Re-Integrationsprogramme zu finanzieren.

Die Deutsche Presse-Agentur hatte über den Inhalt der Vereinbarung bereits am Montag berichtet. Das Dokument war am Wochenende unterzeichnet, aber von der EU zunächst als «nicht zur Veröffentlichung bestimmt» eingestuft worden. Menschenrechtler kritisieren Abschiebungen nach Afghanistan wegen der Sicherheitslage in dem Land als verantwortungslos und unmenschlich. Mit der Unterzeichnung des Abkommens erfüllte die Regierung in Kabul nach Angaben von Diplomaten eine Voraussetzung für neuen Hilfszusagen der EU-Staaten. Sie sollen an diesem Mittwoch zum Abschluss einer internationalen Geberkonferenz in Brüssel abgegeben werden.

 

Dpa hatte bereits am 3.10.16 gemeldet, dass auch Deutschland und Afghanistan eine ähnliche bilaterale Vereinbarung unterzeichnet hätten:

Deutschland und Afghanistan unterzeichneten bereits am Sonntag eine bilaterale Vereinbarung über die Rückkehr von Afghanen in ihr Heimatland. Sie können danach Reisekosten erstattet bekommen und eine finanzielle Starthilfe erhalten. «Ich danke der afghanischen Regierung für ihre Bereitschaft zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit bei der Rückkehr ausreisepflichtiger Personen», erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière dazu.

Laut taz ist dieses Dokument „Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit in Fragen der Migration zwischen Deutschland und Afghanistan“ betitelt. Minister de Maizière habe zudem erklärt:

Er danke der afghanischen Regierung „für ihre Bereitschaft zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit bei der Rückkehr ausreisepflichtiger Personen“, erklärte de Maizière. Die Bundesrepublik gewähre „denjenigen afghanischen Asylsuchenden Schutz, die schutzberechtigt sind“. Für Rückführungen gebe es ausreichend „sichere Regionen“, betonte de Maizière mehrfach.

Die taz zitiert ferner Bernd Mesovic, den stellvertretenden Geschäftsführer von Pro Asyl:

In den wenigen ruhigeren Regionen sei die Polizei damit ausgelastet, die Sicherheit halbwegs zu stabilisieren. „Individueller Schutz ist da nicht leistbar. Das ist eine reine Papierkonstruktion“, sagte Mesovic. „Aber für die deutsche Seite zählt: aus den Augen, aus dem Sinn“.

In diesem Zusammenhang heißt es in der „Einführung“ zu dem EU-Abkommen, dass es nicht dem Abschluss „künftiger bilateraler Vereinbarungen zwischen EU-Mitgliedsstaaten und Afghanistan“ im Weg stehe. Das Abkommen bildet also eine Art Rahmenabkommen, schließt aber auch nicht aus, dass einzelne Staaten mit Afghanistan Vereinbarungen treffen, die darüber hinausgehen oder davon abweichen können. Das könnte bei der deutsch-afghanischen Vereinbarung der Fall sein – zumal sie offenbar am gleichen Tag unterschrieben wurde.

 

Hier die Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums zu der deutsch-afghanischen Vereinbarung, die jedoch nicht deren Text enthält:

 

Migration und Integration Asyl und Flüchtlingsschutz Pressemitteilung 02.10.2016

Ge­mein­sa­me Er­klä­rung zur Mi­gra­ti­on zwi­schen Deutsch­land und Af­gha­nis­tan ge­schlos­sen

Zusammenarbeit bei der Rückkehr ausreisepflichtiger Personen

Heute wurde in Kabul eine Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit in Fragen der Migration zwischen Deutschland und Afghanistan unterzeichnet. Damit besteht nunmehr eine klare und verlässliche Arbeitsgrundlage für die künftige Zusammenarbeit beider Länder insbesondere in den Bereichen freiwillige Rückkehr und Rückführung der jeweiligen Staatsangehörigen in ihr Heimatland.

Hierzu erklärt Bundesminister Dr. de Maizière: Ich danke der afghanischen Regierung für ihre Bereitschaft zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit bei der Rückkehr ausreisepflichtiger Personen. Sie ist Zeichen der historischen Partnerschaft unserer beiden Länder. Gemeinsam tragen wir damit auch zur Akzeptanz derjenigen Afghaninnen und Afghanen in Deutschland bei, die An-recht auf Schutz haben.

Allein im vergangenen Jahr hat Deutschland mehr afghanische Asylsuchende aufgenommen, als jedes andere Land in Europa. Deutschland kommt dabei umfassend internationalen, europäischen und nationalen Verpflichtungen nach und gewährt denjenigen afghanischen Asylsuchenden Schutz, die schutzberechtigt sind. Viele Afghanen, die nach Deutschland kommen, haben jedoch keinen Anspruch auf internationalen Schutz und sind deshalb grundsätzlich ausreisepflichtig. Wenn abgelehnte afghanische Asylbewerber freiwillig in ihre Heimat zurückkehren, können sie über das deutsche Programm zur freiwilligen Rückkehr mit einer angemessenen finanziellen Unterstützung rechnen. Soweit Rückführungen erforderlich werden, erfolgen sie unter voller Achtung der Menschenrechte und der Vorgaben der deutschen Gesetze.

Minister Dr. de Maizière weiter: Die weitere Stabilisierung und Fortentwicklung Afghanistans ist und bleibt ein wichtiges Ziel, dem sich die Bundesregierung in hohem Maße verpflichtet fühlt. Wir werden Afghanistan und den Afghanen weiterhin zur Seite stehen und unseren Beitrag dazu leisten, dass dieses Land zu Frieden und Stabilität findet.