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Es ist jetzt amtlich: Zusammen mit dem bundesweiten Quasi-Lockdown wegen der zweiten Corona-Welle werden morgen (16.12.2020) die Sammelabschiebungen ins ebenfalls corona-gebeutelte Afghanistan wieder aufgenommen. Ich bekam gerade die Bestätigung aus der afghanischen Ministerium für Flüchtlings- und Rückkehrerangelegenheiten, dass die afghanische Regierung der Ankunft von zwei Sammelabschiebe-Charterflügen mit abgelehnten afghanischen Asylbewerbern aus Europa zugestimmt hat: Morgen früh (am 16.12.2020) wird ein Flug mit Abgeschobenen aus Schweden, Österreich und Bulgarien erwartet (Ungarn falle diesmal wegen ungeklärter bilateraler Probleme heraus).

Der deutsche Sammelabschiebeflug vom Flughafen Halle-Leipzig aus, der sich schon angedeutet hatte, werden früh am 17.12. in Kabul ankommen (Abflug also am 16.12. abends).

Im November war der deutsche Flug noch einmal abgesagt worden.

Ich hatte bis zuletzt nicht geglaubt, dass die deutschen Behörden das unter den gegebenen Umständen durchziehen, auch wenn es Anzeichen dafür gab – einschließlich der Inhaftnahme von Abzuschiebenden.

Die Sammelabschiebungen nach Afghanistan waren EU-europaweit im Zuge der ersten Corona-Welle im März zähneknirschend und nur auf Bitten der Regierung in Kabul eingestellt worden.


Auch aus diesem Anlass veröffentliche ich hier (mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Herausgeber einer Anthologie, in der dieses berührende Werk enthalten ist) ein Gedicht von Shahzamir Hataki, eines jungen afghanischen Flüchtlings, der 16 war, als er es nach seiner Ankunft in Deutschland schrieb. Inzwischen ist er volljährig geworden und lebt in Berlin, wo er eine Krankenpfleger-Ausbildung macht.

Dieses Gedicht sollte uns noch einmal fragen lassen, wie die Situation in einem Land aussehen muss, dass sich Menschen wie Shahzamir oder ganze Familien solche Gefahren aussetzen – auch wenn sie sie im Detail nicht voraussehen können. Und was für eine Inhumanität es ist, junge Männer wie ihn in das „unfriedlichste Land der Welt“ abzuschieben.

Nach einem Auftritt der überwiegend afghanischen Autor:innen in Berlin 2016 schrieb Gustav Seibt in der Süddeutschen Zeitung:

»Ein Auftritt … von dem man schon heute weiß, dass er einmal ins Deutsche Historische Museum gehört.«

Das will ich sehen.

Im übrigen gibt es inzwischen eine ausführlichere, neue Anthologie unter dem Titel „Ich wollte bleiben. Ich ging: Ein lyrischer Dialog mit Deutschen von morgen“ (2019), die auch Autor:innen aus Iran, arabischen Ländern, Nigeria, Kambodscha und dem deutschsprachigen Raum beinhaltet. (Die junge kambodschanische Autorin Huy Luy wurde laut biografischem Anhang im August 2018 „nach offizieller Erklärung freiwillig“ wieder ausgeflogen. Wer’s glaubt, mit der Freiwilligkeit…  siehe hier.) Den Band gibt es viersprachig in, Arabisch, Persisch/Dari, Englisch, Deutsch. Und er eignet sich hervorragend als Weihnachtsgeschenk.

Die Preise beider Anthologien finden sich hier im Poetry Project Bookshop.

Hier das Gedicht im Dari-Original, und dann in deutscher Übersetzung, aus dem Band „Allein nach Europa“, zusammengestellt und herausgegeben 2017 von The Poetry Project (64 S.), mit einem Vorwort von der Spiegel-Journalistin Susanne Koelbl, die dieses Projekt gesagt mitbegründet und intensiv begleitet hat. Ins Deutsche übertragen wurden die Gedichte von Aarash Spanta.


تنها پسر

شاه ضمیر هتاکی

مزار شریف، افغانستان

۶۵ نفر در قایق بودند.
قاچاقچی به طرف کوه اشاره کرد،
گفت: آنجا یونان است.

آب مثل دیوار به روی ما می ریخت.
موتور متوقف شد.
چهار تا بچه در قایق بودند.
قایق واژگون شد.

من نمی توانم شنا کنم.
دو دقیقه زیر آب ماندم.
جلیقه قرمز مرا به روی سطح آب کشید.
ترس وحشتناکی داشتم.

خیلی سرد بود.
همه جیغ کشیدند. من هم همین طور.
روبروی من یک بچه بود.
من به او دلداری دادم که تو نباید گریه کنی.
و اگر چه من بهتر می دانستم…

یک مادر در حالی که بچه اش در بغلش بود،
مقابل چشمان من غرق شد.
بعد از دو ساعت قایق برای نجات ما آمد.
۲۰ نفر زنده ماندند.
بچه های کوچک همه مرده بودند.

یک پسر که همسن من بود،
در قایق نجات کنار من نشسته بود.
همین طور فریاد می زد: “مادر، مادر”
از او پرسیدم : چرا گریه می کنی؟

گفت: خانواده هفت نفره اش مرده اند.
از خودم پرسیدم، چه کسی به خانواده من اطلاع می داد،
اگر من در دریا غرق شده بودم؟
من تنها پسر آن ها هستم.

پزشک ها منتظر بودند.
من نمی توانستم روی پا بایستم.
آنها فقط هشت نفر را نجات دادند.
ما نجات یافته ها به بیمارستان آمدیم.

هشت روز وهشت شب خوابیدم.
و هر روز در بیمارستان برایم مثل یک سال بود.

وقتی ترکیه را ترک کردم، ۱۰۰ دلار داشتم.
دلارها در آب از بین رفته بودند.

روز بیستم زنگ زدم به خانه.
مادرم گفت: چرا از خودت خبری ندادی؟
سه روز هست که از نگرانی چیزی نخورده ام.
گفتم: من سالم و سلامت رسیده ام.
فقط پول برای تلفن نداشتم.

چطور می توانستم به او بگویم،
چون بدنم پر آب نمک بود،
ده روز فقط کاکائو می توانستم بخورم؟

Der einzige Sohn

Shahzamir Hataki

MAZAR-E-SHARIF, AFGHANISTAN

65 Menschen waren auf dem Boot.
Der Schmuggler deutete auf einen Berg –
dort ist Griechenland, sagte er.

Das Wasser fiel wie Wände auf uns herab.
Der Motor stoppte.
Es waren viele Kinder im Boot.
Es kenterte.

Ich kann nicht schwimmen.

Zwei Minuten blieb ich unter Wasser,
die rote Weste zog mich an die Oberfläche.
Ich hatte furchtbare Angst.

Es war
sehr kalt.
Alle schrien. Ich auch. Vor mir war ein Kind.

Ich tröstete es, du musst
nicht weinen, und ich wusste es doch besser.

Eine Mutter ertrank vor
meinen Augen, ihr Kind im Arm.
Zwei Stunden, dann kam das Boot,
uns zu retten.
Überlebt haben 20 Menschen.
Die kleinen Kinder waren alle tot.

Ein Junge, er war so alt wie ich,
saß neben mir im Rettungsboot.
Er schrie immerfort
»Mutter, Mutter«.
Ich fragte ihn, warum weinst du?

Er sagte, seine Familie, sieben Menschen,
sie seien gestorben.
Ich fragte mich, wer hätte meinen
Eltern gesagt, wenn ich im Meer ertrunken wäre?
Ich bin der einzige Sohn.

Ärzte warteten.
Ich konnte mich nicht auf den Beinen halten.
Sie bargen nur acht Tote.
Wir Überlebenden kamen ins Krankenhaus.

Acht Tage und acht Nächte habe ich geschlafen.
Und jeder Tag im Krankenhaus kam mir vor wie ein Jahr.

Als ich losfuhr aus der Türkei, hatte ich 100 Dollar.
Sie gingen im Wasser verloren.

Am 20. Tag rief ich zu Hause an.

Mutter sagte, warum hast du dich nicht gemeldet?
Drei Tage habe ich nicht gegessen vor Sorge.
Ich sagte, ich sei wohlbehalten angekommen,
nur hätte ich das Geld für das Telefon nicht gehabt.

Wie konnte ich ihr sagen, dass ich
zehn Tage nur Kakao zu mir nehmen konnte, weil
mein Körper voller Salzwasser war?