Schlagwörter

, , , , , , , ,

Das viel zu spät, aber mit viel Brimborium am 17. Oktober verkündete (trotz anderslautender Medienberichte aber noch nicht gestartete) Bundesaufnahmeprogramm (BAP) für gefährdete Afghan:innen entpuppt sich immer mehr als zumindest teilweise fragwürdig, mit Tendenz zur Mogelpackung. 

Nach dem desaströsen Scheitern der Bundesregierung bei der (bisher immer noch nur teilweise umgesetzten) Evakuierung der früheren Ortskräfte von Bundeswehr, deutscher Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit (OKe) sowie der durch ihre Menschenrechts- und ähnliche Arbeit Gefährdeten (MR-Liste), bei der sie den gefährlichsten Teil – nämlich die Menschen  aus dem Land zu bringen – schnell deutschen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der Kabul-Luftbrücke und den Bedrohten weitgehend das kostspielige Besorgen von Visa und Reisepässen überließ (das bleibt auch im neuen Programm so) –, lagert sie nun auch die Vorauswahl der Antragsteller:innen für das neue Programm an in die Zivilgesellschaft aus. Wobei, das war schon bekannt, die eigentlichen Antragsteller:innen gar nicht selbst ihren Antrag stellen können, denn es wurde festgelegt, dass nur sogenannte „meldeberechtigte Stellen“ das tun dürfen.

„Meldeberechtigte Stellen“ – ich berichtete bereits – sind laut BAP-Webseite „Akteure“ (also Organisationen und Institutionen) mit „Fachkenntnis“, also solche, „die in Afghanistan tätig waren oder besonders gute Kenntnisse zum aufzunehmenden Personenkreis haben. Darunter fallen auch zivilgesellschaftliche Organisationen … wenn sie im Rahmen der im August 2021 erfolgten Evakuierungen aus Afghanistan bzw. den laufenden Aufnahmen aus Afghanistan mit dem Auswärtigen Amt zusammengearbeitet haben oder zwischen 2013 und 2021 eine finanzielle Unterstützung zur Umsetzung von zivilgesellschaftlichen Projekten in Afghanistan aus dem Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erhalten haben.“ Sie werden „von der Bundesregierung ausgewählt.“ 

Zu sagen welche Organisationen das sind, will die Bundesregierung aber ebenfalls nicht übernehmen. Auf der Webseite heißt es dazu: „Es ist den zivilgesellschaftlichen Organisationen selbst überlassen, ob und wie sie ihre Teilnahme öffentlich machen.“ (Mehr dazu weiter unten.) 

Zudem können „in besonderen Fällen“ auch „das Auswärtige Amt, [das] Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und [das] Bundesministerium des Innern und für Heimat“ als meldeberechtigte Stellen fungieren.

Zwischen Bundesregierung und den meldeberechtigte Stellen geschaltet ist zudem eine „Koordinierungsstelle der Zivilgesellschaft“, die allerdings vom BMI finanziert wird. Laut deren Webseite handelt es sich dabei um einen „durch die Bundesregierung unterstützter Teil der Zivilgesellschaft“. Da die Bundesregierung „zivilgesellschaftliche Expertise beim Vorschlagen von Gefährdeten“ wollte, sei der Bedarf einer solchen Koordinierungsstelle aufgetaucht. Organisationen wie die Kabul-Luftbrücke wollen das selbst nicht übernehmen. Die Kabul-Luftbrücke etwa sagte der Berliner Morgenpost: „Die Regierung muss eine Anlaufstelle schaffen und Rückmeldungen geben, nicht wir.“ Das UN-System, etwa die Internationale Organisation für Migration (IOM), die mit deutschen Behörden etwa bei der „freiwilligen Rückführung“ afghanischer Asylbewerber kooperierte, hat es offenbar abgelehnt, sich zu beteiligen.

Die Stelle soll nun angesichts eines „unter komplexen und widrigen Rahmenbedingungen aufgesetzten Aufnahmeprogramm[s] … unter anderem den Informationsfluss zwischen Zivilgesellschaft und Bundesregierung“ synchronisieren und „interessierte zivilgesellschaftliche Organisationen … unterstütz[en] und einbind[en]“, um „möglichst viele Hilfesuchende“ an das Programm „heran führen zu können“. 

Die Koordinierungsstelle befindet sich in Aufbau, genauso deren Webseite – die bisher wenig Erhellendes enthält (und deren wenige Textelemente man nicht einmal kopieren kann, sondern abschreiben muss – sollte geplant sein, das zu ändern, hätte man sie halt noch nicht freischalten sollen). 

Ich nehme an, dass sich das ändern wird, wenn die Bundesregierung die seit Bekanntgabe des Programms auf der BAP-Webseite angekündigte Aufnahmeanordnung endlich veröffentlicht (dot steht: „Den Wortlaut der Aufnahmeanordnung finden Sie in Kürze hier“), die die Auswahlkriterien enthalten wird. Und das dürfte wiederum damit zusammenhängen, ob die Software, eine Art Online-Fragenkatalog, die die Koordinierungsstelle für die Erfassung und Auswahl der Antragsteller:innen verwenden wird, einsatzbereit und erprobt ist. Öffentlich einsehbar ist dieses Online-Tool nicht.

Die Kriterien für eine Aufnahme in das BAP werden auf dessen Webseite bisher wie folgt umrissen:

Bei der Auswahl der Personen berücksichtigt die Bundesregierung vor allem:

  • personenbezogene Vulnerabilität, wie sie bspw. der Kriterienkatalog des UNHCR definiert; (z.B. alleinstehende Frauen mit Kindern, Frauen in prekärer Lebenssituation, LSBTI+, Personen mit besonderen medizinischen Behandlungserfordernissen);
  • Deutschlandbezug, z.B. deutsche Sprachkenntnisse, integrationsfördernde familiäre Bindungen, Voraufenthalte in Deutschland, ehemalige Tätigkeit für deutsche Behörden/Projekte, Unterstützung durch deutsche Arbeitgeber/deutsche Organisationen;
  • besondere persönliche Exponiertheit, z.B. durch Art und Dauer der Tätigkeit in Afghanistan, herausgehobene Position, öffentliche Äußerungen;
  • besonderes politisches Interesse Deutschlands an einer Aufnahme.

Die Einrichtung der „Koordinierungsstelle der Zivilgesellschaft“ (meine Hervorhebung) ist für die Bundesregierung vor allem insofern von Vorteil, als dass sie bei künftigen Fehlschlägen ihre Hände in Unschuld waschen kann. Im Zweifelsfall könnte sie die Koordinierungsstelle verantwortlich machen bzw ihr die Erwiderung überlassen, etwa wenn sich Afghan:innen von ihren meldeberechtigte Stellen über eine evtl. Ablehnung unterrichtet werden, auch wenn z.B. die Bundesregierung (konkret das dem Bundesinnenministerium unterstehende BAMF), die sich die letzte Entscheidung über Aufnahmen vorbehält, Vorschläge der Koordinierungsstelle ablehnt.

So sieht es derzeit aus, wenn man die Webseite des Bundesaufnahmeprogramms öffnet: Quelle: Bildschirmfoto.


Weitere Mängel

Darüberhinaus hat das Bundesaufnahmeprogramm erhebliche weitere Mängel. So ist es – erstens – ohnehin schon zu klein, auch wenn die Bundesregierung argumentiert, dass sie sich bei der Größenordnung „an der Zahl der Menschen“ orientiert, „die wir auch bisher [monatlich] aufgenommen haben.“ Das mag formal korrekt sein, aber die Zahl und das Tempo wurde ja von Anfang an durch bürokratische Hürden gemindert, die dazu geführt haben, dass bisher nur ca. zwei Drittel der insgesamt 38.100 Menschen (einschließlich Familienangehörige) aus dem zwei Kategorien OKe und MR-Listen evakuiert werden konnten und zudem ganze Gruppen unter fadenscheinigen Gründen ausgeschlossen, zum Beispiel eine Gruppe, die afghanische Polizist:innen alphabetisierten, bevor sie an der offiziellen deutschen Polizeiausbildung teilnehmen durften. Das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, deshalb das OKe-Verfahren zu reformieren bleibt nämlich bisher unerfüllt.

Die Dimension verbirgt sich hinter einer ambivalenten Formulierung: Es sei „geplant, im Monat ca. 1.000 besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen mit ihren Familienangehörigen aus Afghanistan aufzunehmen.“ Heißt das nun, 1000 plus Familienangehörige oder 1000 einschließlich Familienangehöriger. (Die Bundesregierung hat wirklich Super-Linguisten zur Verfügung, die sich so etwas ausdenken.)

Aus zu diesem Thema gut unterrichteten Kreisen ist nun zu hören, dass die Zahl 1000 die Familienangehörigen einschließt. Bei einer durchschnittlichen afghanischen Familiengröße von fünf Personen käme das Programm pro Monat dann nur 200 Gefährdeten zu gute. (Ja, Familienangehörigen sind manchmal auch selbst gefährdet, aber das Prinzip ist hier ja, dass Kernfamilien nicht getrennt werden sollen.)

Hallo Bundesregierung, bitte dementieren sie, wenn die gut unterrichteten Kreise sich doch irren sollten.

Zweitens sollte das „neue“ Programm eigentlich Afghan:innen zugute kommen, die nach der Machtübernahme neu in Gefahr gerieten, nicht zu den beiden bisher bearbeiteten Kategorien (OKe, MR-Liste) gehörten und im Gegensatz zu diesen noch keine offizielle Aufnahmezusage der Bundesregierung haben. (Die von der Bundesregierung definierten genauen Zielgruppen finden sich hier.) Aber neue Anträge – und das hat nicht technische, sondern politische Gründe – können auf absehbare Zeit nicht abgegeben werden. Denn das Programm muss erst einmal noch Altfälle aus der „Zwischenzeit“ abarbeitet. Dabei handelt es sich um Personen, deren Fälle offenbar in den vergangenen Monaten an die Bundesregierung herangetragen wurden, über die Kategorien OKe und und die MR-Liste hinaus. Einige von ihnen haben sogenannte humanitäre Visa erhalten. Um wie viele es sich dabei handelt (die solche Visa erhielten oder noch darauf hoffen), gibt die Bundesregierung natürlich nicht preis; „natürlich“ angesichts der sonstigen Intransparenz bei diesem Thema.

Was hingegen klar ist: OKe fallen nicht in das neue Programm, denn die werden weiter im Rahmen des für sie bestehenden (unreformierten) Programms bearbeitet. Auf der BAP-Seite heißt es dazu: „Das Ortskräfteverfahren ist nicht beendet. Das Ortskräfte­verfahren wird nach den bisherigen Kriterien fortgeführt. Ansprechpartner zum Ortskräfteverfahren ist weiterhin die Stelle oder das Bundesministerium, bei dem die Ortskraft beschäftigt war.“ (Falls man sie erreicht.) Wie z.B. Axel Steier von Seenotrettung/Aktion Lifeline dokumentiert, erhalten ehemalige Ortskräfte zur Zeit verstärkt Ablehnungen (z.B. hier) oder nichtssagende Messages, die sie weiter und nach langer Zeit im Unklaren lassen (z.B. hier).

Drittens bleibt es, wie schon oben erwähnt, auch im neuen Programm dabei, dass die Bundesregierung den gefährlichsten Teil – nämlich die Menschen  aus dem Land zu bringen – den zivilgesellschaftlichen Organisationen und den Bedrohten weitgehend das kostspielige Besorgen von Visa und Reisepässen (in Taleban-Büros!) überlässt. Bestätigte Antragsteller:innen sollen dann bei „einer deutschen Auslandsvertretung, etwa in den Nachbarländern Afghanistans, … ein Visum und Unterstützung bei der Weiterreise nach Deutschland“ erhalten. Aus Afghanistan raus müssen sie also weiter auf eigene Faust und Gefahr, auch wenn es auf der BAP-Webseite heißt: „Die Bundesregierung arbeitet weiter daran, zusätzlich Ausreisewege zu eröffnen.“ Außenministerin Annalena Baerbock etwa sagte bei ihrem kürzlichen Mittelasien-Besuch, dass z.B. die Ausreise über Usbekistan vereinfacht werden soll. Zudem habe die Bundesregierung „einen Dienstleister beauftragt, der vor Ort bei der Ausreise unterstützt.“ Auch dieser Dienstleister ist noch nicht bekannt (und hoffentlich ist er nicht identisch mit demjenigen, um den es gegen Ende dieses Textes geht).

Zunehmende Kritik von beteiligten Zivilgesellschaftsorganisationen

So nimmt deshalb langsam auch Unmut bei beteiligten zivilgesellschaftlichen Organisationen auf, die sich bisher offenbar noch zurückgehalten hatten, um dem Programm, zu dem sie ja konsultiert worden waren, eine Chance zu geben. De Kabul-Luftbrücke etwa schrieb am 10. November in einem Aufruf:

Endlich gibt es ein offizielles Aufnahmeprogramm für Afghanistan – nur leider bringt es kaum Verbesserungen: Es gibt keine Anlaufstelle für Betroffene, deshalb erreichen uns weiterhin jeden Tag unzählige Mails und Hilferufe. Außerdem zwingt die Bundesregierung mit ihrem Programm Gefährdete, so lange in Afghanistan zu bleiben, bis ihre Registrierung abgeschlossen ist. Noch immer sind wir es, die Menschen eine sichere Ausreise ermöglichen, während die Bundesregierung sich in Bürokratie verstrickt. Deshalb bleiben wir dran, auch wenn die Arbeit mühsam ist.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen glaubt nicht an einen Erfolg des Programms in seiner jetzigen Form und spricht von einem von der Bundesregierung verursachten „Kommunikationschaos“. Die Kabul-Luftbrücke“ schrieb: „Das Programm kommt uns vor wie ein PR-Gag“. Die BAP-Seite war zu Beginn auch nur auf Deutsch verfügbar, nicht einmal auf Englisch, von Dari und Paschto ganz zu schweigen. Das wurde inzwischen zwar nachgeholt, aber auch dass auch der sonstige Inhalt auf der zunehmend komplexen Webseite ständige aktualisiert wird, sorgt für Zeitverschwendung, weil man immer wieder lesen und Neues suchen muss, und ist unprofessionell.

Wegen des Fehlens regierungsamtlicher Angaben, wie genau der Zugang zum Programm funktionieren soll, werden zivilgesellschaftliche Organisationen bereits von Anfragen geflutet – und zwar solche, die sich bereits als „meldeberechtigte Stelle“ zu erkennen gegeben haben, und auch andere. Auch afghanische Medien hatten natürlich schon über das neue deutsche Programm berichtet (z.B. hier), über soziale Medien verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer und weckte Hoffnungen. „Bei uns laufen im Minutentakt Mails ein“, sagte etwa Axel Steier von „Mission Lifeline“ der Berliner Morgenpost. Binnen zwei Wochen, bis Anfang November, hätten die Organisation 17.000 Anfragen erreicht. Bei der „Kabul Luftbrücke“ seien es 15.000 Nachrichten gewesen, per E-Mail, über die Social-Media-Accounts, teilweise über die privaten Adressen der Mitarbeitenden. „Unsere Hauptmailfächer sind nahezu unbenutzbar derzeit“, schrieb Tilly Sünkel von der Organisation auf Nachfrage der MoPo-Redaktion. Bei „Reporter ohne Grenzen“ seien schon 12.000 Anfragende registriert worden und weitere knapp 4000 Hilfsanfragen aufgelaufen. Selbst dem Auswärtigen Amt lägen schon Anfragen im fünfstelligen Bereich vor. „Reporter ohne Grenzen“ und andere Organisationen sahen sich bereits gezwungen, das eigene Meldeportal wieder abzuschalten. Wer in Afghanistan gearbeitet hat, weiß, dass viele jede Adresse anschreiben, die ihnen bekannt ist. „Es macht uns wütend und traurig, dass wir afghanische Medienschaffende nun einmal mehr vertrösten müssen. Sie können sich dafür bei der Bundesregierung bedanken“, so Christian Mihr, Geschäftsführer von „Reporter ohne Grenzen“. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, die Koalition nicht.“

Die Bundesregierung verkauft das Programm natürlich positiv. „Im EU-Vergleich haben wir mit Abstand die meisten Aufnahmen von ehemaligen Ortskräften und weiteren besonders gefährdeten Afghaninnen und Afghanen in Deutschland ermöglicht“, hieß es in der ursprünglichen Pressemitteilung dazu. Pro Kopf der Bevölkerung könnte das Bild allerdings anders aussehen.

Betrug

Inzwischen spielt das zögerliche Kommunikationsverhalten der Bundesregierung Betrügern in die Karten. Wie die taz am 4.11.2022 berichtete, nutzt eine in Kabul ansässige Fake-Organisation, die sich „IOMA (International Organization Migration Aid) fundation“ – Schreibfehler im Original, auf Englisch wäre es „foundation“, auf Spanisch „fundación“ –  nennt und mit dem „IOM“ im Namen eine Nähe zur oben erwähnten Internationalen Organisation für Migration (IOM) suggerieren will – und bietet auf Evakuierung hoffenden Afghan:innen offenbar an, sie an das neue Bundesaufnahmeprogramm zu vermitteln – gegen Bezahlung. (Das BAP ist kostenlos, wenn man den Gebühren zur Beschaffung von Pässen und Visa absieht.) Die IOMA-Webseite verwendet das Logo und ein Foto einer in der argentinischen Provinz Buenos Aires ansässigen Organisation, die das gleiche Kürzel verwendet, aber offenbar nichts mit der Kabuler Fake-Organisation zu tun hat. Die auf der IOMA-Webseite angegeben Links „führen allesamt ins Leere zu einer Fehlermeldung“, so die taz. „Mit den Vorwürfen konfrontiert, bleibt eine Stellungnahme seitens der mutmaßlichen Visabetrüger aus.“

Das Vorgehen ist bekannt. Schon seit Jahren bieten sogenannte Reisebüros in Afghanistan Schlepperpakete nach Europa an. Im Oktober berichtete die Webseite The New Humanitarian von „Dutzenden“ solcher Büros, „alle mit Webseiten und Facebook-Konten.“ Manche gäben sich als Menschenrechtsorganisationen aus. Offenbar werden solche Dienstleistungen jetzt den neuen Gegebenheiten angepasst.

Die taz schildert, wie sie der dubiosen Stiftung hinterherrecherchierte:

Als eine Kontaktperson in Kabul versucht, IOMA an der Büroadresse, die sie in ihrer Whatsapp-Beschreibung kommunizieren, anzutreffen, trifft an dem Gebäude in der Nähe des Schar-e-Naw-Park lediglich einen genervten Sicherheitsmann an. Der sagt ihm, dass ständig Menschen kämen und ihn nach der Organisation fragten, die es aber hier schlichtweg nicht gebe. Offen bleibt also, wie genau die Daten von Betroffenen aufgenommen werden und welche Gebühr dafür verlangt wird.

Die Kontaktperson scheitert an der telefonischen Terminvereinbarung, auch wenn er unter der angeblichen Büronummer – einem Kabuler Festnetzanschluss – tatsächlich jemanden erreicht, der angeblich für IOMA arbeitet.

Inzwischen meldete sich ein gewisser Dr Modaser über sein Twitter-Konto, wo er als „Unternehmensdienstleister“ gekennzeichnet ist, aber den Namen seiner Organisation nicht nennt. Er wies (übrigens auf deutsch) die Vorwürfe zurück, beschuldigte die taz der „Lüge“, und behauptete, dass man humanitäre Ziele verfolge. Man habe „im vergangenen Jahr 21.000 afghanischen Bürgern geholfen, Afghanistan zu verlassen“, aber sagte nicht wie und in wessen Auftrag. Sowohl die „Reporter ohne Grenzen“ als auch Mission Lifeline erhalten weiterhin täglich dubiose E-Mails von der falschen Stiftung mit persönlichen Daten angeblich gefährdeter Afghan:innen inklusive Pass- und Telefonnummern. Dass seine Organisation weiter Daten übermittelt und dafür offenbar weiterhin auch Geld kassiert, widerlegt seine Behauptung.

Katja Heinemann von Reporter ohne Grenzen macht das zögerliche Verhalten der Bundesregierung verantwortlich für solche Vorfälle: „Das verbildlicht eigentlich nur das, was wir seit einem Jahr predigen: Diese unklare Kommunikation erleichtert Betrügern das Geschäft.“

Landesaufnahmeprogramm Thüringen endlich genehmigt

„Afghanische Kriegsflüchtlinge dürfen künftig bei ihren Verwandten in Thüringen leben“, meldete der MDR am 5. November 2022. Das sieht ein Landesaufnahmeprogramm der thüringischen Landesregierung vor, dass das Bundesinnenministerium nun nach monatelangem Warten genehmigt hat. Die bereits hier lebenden afghanischen Familien müssen dem Bericht zufolge dafür im Besitz eines Aufenthaltstitels sein, seit mindestens sechs Monaten im Land wohnen und sich verpflichten, für fünf Jahre für Unterkunft und Lebensunterhalt ihrer Verwandten aufzukommen. Davon ausgenommen seien Gesundheitskosten (siehe auch hier).