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Angesichts weiterer bevorstehender Abschiebeflüge nach Afghanistan (nächste Daten unklar, aber wohl noch im Januar – siehe hier) lohnt es sich, noch einmal auf den ersten Flug, der nicht nur sogenannte freiwillige Rückkehrer (mehr dazu unten, Fall Pouya) an Bord hatte, zurück zu blicken.

Damals hatte der Focus berichtet, unter Berufung auf Angaben des Bundesinnenministeriums, dass zehn für die Abschiebung vorgesehene Afghanen von der Polizei nicht angetroffen seien und für sechs weitere die Abschiebung ausgesetzt worden sei, davon für fünf per Gerichtsentscheid. 34 waren schließlich an Bord (weitere Einzelheiten hier).

Nach Angaben aus Flüchtlingshelferkreisen soll der Bundespolizei – die Behörde, die in diesem Fall die Abschiebeflug organisierte (theoretisch können das auch einzelne Bundesländer tun, denn Abschiebungen sind „Ländersache“) – sogar eine Liste mit insgesamt 147 Personen für eine schnelle Abschiebung vorgelegen haben. Vorgesehen sind laut deutsch-afghanischem Abkommen Flüge mit bis zu 50 „Rückkehrern“, aber es ist unklar, ob das eine Obergrenze ist oder eine ungefähre Zahl. Solche Flüge können laut der gleichen Vereinbarung auch „überbucht“ werden.

Flüchtlingsprotest im November 2015 in Berlin.

Flüchtlingsprotest im November 2015 in Berlin.

 

Fallstudie Bayern

Das bayerische Innenministerium hatte nach dem Flug am 15./16.12.17  bekanntgegeben, dass dabei acht Afghanen aus dem Bundesland abgeschoben wurden; einer anderen Quelle zufolge (siehe hier) seien insgesamt 15 Afghanen aus Bayern dafür vorgesehen gewesen. Bei sieben sei also die Abschiebung nicht zustande gekommen oder verhindert worden.

Ich habe nicht zu allen diesen Fällen Informationen gefunden. Hier also, was sich fand (Ergänzungen willkommen – bitte per Email):

Bei zwei Afghanen wurde die Abschiebung durch eine Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorläufig bis zum 26.01.2016 ausgesetzt. Das Gericht war von Anwält*innen angerufen worden, die diese Mandanten vertraten. (Was dazu an Vorbereitungen notwendig ist, hatte ich am 6.1.17 berichtet.)

Die Aussetzung der Abschiebung in diesen beiden Fällen bedeutet laut taz „nicht, dass die endgültige Entscheidung bis dahin erfolgen muss“ (und dann eine sofortige Abschiebung erfolgen könnte). „Die Frist soll nur sicherstellen, dass die Anwälte bis dahin eine Vollmacht ihrer jeweiligen Mandanten vorlegen. Nach Beibringung der Vollmacht wird die Frist vermutlich deutlich verlängert.“

Bei einem dritten Afghanen aus dem Landkreis Passau wurde die Abschiebung in letzter Minute durch eine Eilentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gestoppt – also nicht auf gerichtlicher Bundes-, sondern auf Landesebene.

In drei weiteren Fällen, so die taz weiter, „wurden die Rechtsmittel abgelehnt, insbesondere wenn kurzfristig beauftragte Anwälte fast gar nichts Konkretes über ihren Fall sagen konnten.“ Mir ist unbekannt, auf welche Bundesländer sich diese Fälle beziehen. Zudem versucht die Bundesregierung auch, solche Eilanträge von vornherein durch sogenannte Schutzanträge zu unterlaufen, die sie vor dem Abschiebetermin bei den zuständigen Verwaltungsgerichten hinterlegt.

Bei mindestens zwei Afghanen in Bayern, die sich bereits für die Härtefallkommission qualifiziert hatten (Unterstützungsgründe: gute Integration, Arbeitsplatz, länger als fünf Jahre in Deutschland) lehnte die Kommission die Annahme der Anträge ab, weil der Abschiebetermin schon feststand. In zwei anderen Fällen waren Petitionen gestellt worden, aber die Abschiebungen erfolgten, bevor der Petitionsausschuss sich überhaupt mit den Anträgen befasst hatte.

Einer der davon betroffenen Afghanen war Rahmat Khan, in dessen Fall die Landtags-Grünen wegen „der Missachtung des Petitionsrechts“ protestierten. Das Landshuter Wochenblatt berichtete, die Abschiebung habe ein „ausgesprochen positives Beispiel (für eine) Integration von Asylbewerbern in den deutschen Arbeitsmarkt (…) zunichte gemacht“.

Rahmat Khan spricht hervorragend Deutsch, arbeitete seit Monaten als Maurer und hatte sogar die Erlaubnis, den Führerschein zu machen. Und er konnte sich Hoffnung machen, dass eine Abschiebung nicht vollzogen wird, solange die Petition nicht entschieden ist. (…) Zudem hatte sich die Firma Monzel aus Essenbach seit Wochen für ihr eingesetzt. (…) (Doch) Um fünf Uhr morgens wurde Herr Kahn [sic] aus dem Bett geholt und gestern Abend abgeschoben.

Zudem wurde ein kranker Afghane aus Warmensteinach (Landkreis Bayreuth), der am Morgen des Fluges festgenommen wurde, dann aus unbekannten Gründen wieder von der Liste der Abzuschiebenden gestrichen. Von der Liste genommen werden musste zwangsläufig auch Kefayat N., der im bayrischen Dingolfing beim Versuch, vor der Polizei zu fliehen, von einem Balkon stürzte, ins Krankenhaus gebracht wurde, von dort floh, aber von Flüchtlingshelfern überredet werden konnte, in die Klinik zurückzukehren (hier ein SZ-Bericht dazu). Das bedeutet in beiden Fällen aber wohl nur: Abschiebung aufgeschoben, nicht aufgehoben.

Einige Afghanen (Zahl unklar) erhielten nach Informationen von Flüchtlingshelfern in Bayern vorläufiges Kirchenasyl.

 

Drei bayerische Fälle: Sabur Frotan…

Ich hatte bereits am 16.12.17 berichtet (hier; Quelle: Süddeutsche Zeitung), dass der 29-jährige Sabur Frotan per Eilantrag seiner Anwältin beim Bundesverfassungsgericht noch am Abflugort Frankfurt/Main aus dem Flieger geholt werden konnte. (Ich schrieb damals „wohl als einziger“, aber das hat sich inzwischen als unzutreffend herausgestellt.) Laut SZ war er „im Oktober, nach vier Jahren Arbeit in einem Hotel in München, überraschend in Abschiebehaft gelandet“. Das Gericht entschied, dass Frotan die Möglichkeit erhalten soll, einen von ihm gestellten Asylfolgeantrag weiterzuverfolgen, den er – laut Welt – mit der verschlechterten Sicherheitslage in Afghanistan begründet hat. Sein Abschiebeverbot ist allerdings bis zum 26. Januar 2017 befristet.

Nach einem taz-Bericht und Informationen aus Flüchtlingshelferkreisen ist beim Bundesverfassungsgericht wohl auch eine Klage gegen die Sammelabschiebungen nach Afghanistan insgesamt eingegangen. Die taz schreibt dazu:

… die Richter werden derartige Abschiebungen am Ende wohl nicht generell verbieten, sondern nur rechtsstaatliche Standards für die gerichtliche Überprüfung einfordern. (…)

Die Prüfung, ob es in Afghanistan sichere Gebiete gibt, werden sie voraussichtlich den Verwaltungsgerichten überlassen. Was die Verfassungsrichter aber wohl einfordern werden, ist jeweils immer neu eine Prüfung der aktuellen Lage in Afghanistan durch das Bundesamt für Migration und die Verwaltungsgerichte. Die Verfassungsrichter werden kaum akzeptieren, dass Asylfolgeanträge einfach mit dem Argument abgelehnt werden, dass sich die Lage in Afghanistan seit der Ablehnung des ersten Asylantrags nicht verändert habe. Wenn es neue Erkenntnisse gäbe, müssten sie auch berücksichtigt werden, heißt es in der Begründung einer der beiden einstweiligen Anordnungen.

 

… Bäckergeselle Saleh Zazai …

Über einen zweiten Fall, den des 31-jährigen Saleh Zazai, berichtete am 3.1.17 die Münchener Abendzeitung. Die Zeitung beschreibt ihn als

(…) Vorzeige-Flüchtling, ein leuchtendes Beispiel für gelungene Integration: (Er) lernt Deutsch, findet einen Job und eine eigene Wohnung (…) und (hat) sich nie etwas zuschulden kommen lassen. (…) Saleh Zazai hatte sich auf eine Anzeige beworben und war genommen worden. „Die fünf Kilometer von der Unterkunft bis zu uns ist er jede Nacht mit dem Radl gefahren. Bei Wind und Wetter“, sagt Jessica Speiser (von der Bäckerei, in der er arbeitete). „Er war nicht einmal krank und immer pünktlich.“ Er ist beliebt bei Vorgesetzten und Kollegen, spielt Volleyball im Verein. (…)

„Wir hätten ihm sogar ein bisserl mehr bezahlt, dass er weiterhin für seine Miete aufkommen kann.“ Gutes Personal zu finden, sei in ihrer Branche quasi unmöglich geworden, sagt Jessica Speiser. „Wer will schon nachts arbeiten?“ Und dann ist da plötzlich einer, der innerhalb weniger Monate dasselbe leistet wie ein Geselle. (…)

Fünf Jahre lebt ein junger Flüchtling in Bayern (…). Dann soll er plötzlich abgeschoben werden – und zerbricht an seiner Hoffnungslosigkeit. (…)

Eine Online-Petition, die die Familie seines Arbeitgebers genauso unterschreibt wie die Kollegen aus der Kemptener Volleyball-Mannschaft, mit denen er trainiert, bringt nichts. Auch nicht, dass die Handwerkskammer sich beim Ausländeramt für Zazai stark macht.

Auch die herzzerreißende E-Mail, die Jessica Speisers 14-jährige Tochter an Ministerpräsident Horst Seehofer schreibt, läuft ins Leere. (…)

Salehs Lehrvertrag wird nicht genehmigt. Anfang November entziehen ihm die Behörden die Arbeitserlaubnis. (…) Seine Verzweiflung und der psychische Druck sind so groß, dass er versucht hat, sich umzubringen. (…)

Am 14. Dezember wird er abgeholt. (….) Weil er unterwegs erneut versucht, sich selbst zu verletzen, erreicht Saleh Zazai den Airport in Hand- und Fußfesseln.

Doch dann lässt das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde seines Anwalts zu. Eine Viertelstunde vor dem Abflug wird Saleh Zazais Abschiebung ausgesetzt – bis zum 26. Januar. Nach einem Zwischenstopp in der Psychiatrie wird er in der Justizvollzugsanstalt Mühldorf in Abschiebehaft genommen.

Die ganze Geschichte kann man hier lesen.

 

… und der Zahnarzt und Künstler Ahmad Shakib Pouya

Etwas anders liegt der Fall des 33-jährigen afghanischen Musikers Ahmad Shakib Pouya, der eigentlich gelernter Zahnarzt ist, 2011 aus Afghanistan floh und in Augsburg untergekommen war, wo er seitdem mit einer Duldung lebte, wie die Frankfurter Rundschau berichtete. Er habe sich als ehrenamtlicher Dolmetscher engagiert, half Landsleuten bei Behördengängen, betreute unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. „Seit Beginn des Jahres liegt ein fertiger Arbeitsvertag für Pouya – der inzwischen zeitweise auch in Frankfurt bei seiner Frau lebt [die er inzwischen kennen gelernt und nach islamischem Brauch geheiratet hatte] – bereit. Doch die Stelle kann er aufgrund der fehlenden Arbeitserlaubnis nicht antreten.“

Die hat ihm die Augsburger Ausländerbehörde verweigert, ebenso wie bei früheren Einstellungszusagen von zwei Altenheimen, die schon 2011 an seinen Kenntnissen als Krankenpfleger in Afghanistan interessiert waren. Das hätte allerdings durchaus im Ermessensspielraum des Amtes gelegen – „genauso wie es offensichtlich in ihrem Ermessensspielraum lag, ihm möglichst viele Steine in den Weg zu legen“, wie Sophie Diesselhorst in einem Beitrag für den Theaterblog Nachtkritik schrieb.

In Augsburg baute auch er das Flüchtlingsmodell-Projekt „Grandhotels Cosmopolis“ mit auf, in dem örtliche Künstler Flüchtlinge und Touristen unter einem Dach unterbrachten. („Warum müssen Flüchtlinge in Heimen wohnen?“ – einer von vielen Medienberichten hier.) Das Projekt ging sogar aus dem Bundeswettbewerb „Deutschland – Land der Ideen“ als Sieger hervor. Als Musiker und Schauspieler hatte Pouya eine Hauptrolle in dem Stück „Zaide – eine Flucht“ inne, das der Verein Zuflucht Kultur mit Flüchtlingen bundesweit auf die Bühne brachte. Zuletzt war er Dolmetscher bei der IG Metall in Frankfurt am Main.

Doch dann sollte Pouya trotzdem abgeschoben werden, berichtete die Nachrichtenagentur epd, obwohl sein Fall derzeit der Härtefallkommission des bayerischen Landtags zur Entscheidung vorliegt. Die Fürsprache des ehemaligen bayerischen Wissenschaftsministers Thomas Goppel (CSU) konnte diese Entscheidung noch einmal stoppen – bis nach den Aufführungen des Flüchtlings-Theaterstücks „Zaide“ Mitte Januar in München. Am 15. Januar müsse Pouya jedoch nach Afghanistan ausreisen. Denn Pouya hatte, dem Nachtkritik-Beitrag zufolge unter Druck einer „freiwilligen Rückkehr“ nach Afghanistan zugestimmt:

(…) im Oktober war sein Fall von der Ausländerbehörde Augsburg an die zentrale Ausländerbehörde des Regierungsbezirks Schwaben (ZAB) überstellt worden; zu diesem Anlass wurde Pouya in die ZAB zitiert und dort derart eingeschüchtert, dass er schließlich einen „Grenzübertretungsbescheid“ unterschrieb, in dem er sich verpflichtete binnen einer von der Behörde gesetzten Frist nach Afghanistan auszureisen. Pouya wurde davon abgehalten, sich vor der Leistung dieser Unterschrift mit den Aktivist*innen des Grandhotels Cosmopolis zu beraten, die zu dem Termin mitgekommen waren. (…)

Er hat sich für den kommenden Donnerstag, den 22. Dezember, ein Flugticket nach Kabul gekauft. Denn eine „freiwillige Ausreise“ scheint derzeit die einzige Möglichkeit für ihn zu sein, zumindest eine „Wiedereinreisesperre“ zu umgehen, also die einzige Möglichkeit, zu seiner Frau, seiner Familie, seiner Arbeit zurückzukehren (…).

(…) Täte er es nicht, würde er eine Einreisesperre riskieren – und könnte seine Frau, die er bislang nur nach islamischen Ritus, nicht jedoch standesamtlich geheiratet hat [das war an einem fehlenden Dokument gescheitert] – nicht einmal mehr besuchen. „Das wichtigste für mich“, sagt Pouya, „ist hier legal zu sein.“

schrieb die FR.

Weiter Nachtkritik:

Normalerweise wird die Abschiebung aufgeschoben, solange die Härtefallkommission den Fall prüft. Es gibt darüber eine Absprache zwischen dem bayerischen Innenministerium und den Ausländerbehörden – die für Pouyas Fall vom Innenministerium widerrufen worden ist.

Die Härtefallkommission wird seinen Antrag weiterprüfen. Normalerweise dauert so eine Prüfung etwa ein halbes Jahr, sagt Sabine Reiter [vom Verein] „Tür an Tür“. Wenn der Antrag positiv beschieden wird, kann Pouya wieder nach Deutschland einreisen und hierbleiben. Falls er dann noch am Leben ist.

Mehr über Pouya hier auf Facebook. Der bereits zitierte Beitrag der Frankfurter Rundschau vom 19.12.17 schildert auch die Gründe seiner Flucht. Hier ein Interview der Süddeutschen Zeitung mit Pouya vom 22.12.16. Der ebenfalls bereits zitierte Nachtkritik-Beitrag ist der ausführlichste zu dem Fall.

Grandhotel Cosmopolis. Foto von der Webseite.

Grandhotel Cosmopolis. Foto von der Webseite.

 

Weitere Fälle

Bayern: Rahmatullah Ahmadzai: Antrag auf Anhörung – Asyl abgelehnt

Der Bayerische Rundfunk berichtete bereits Ende Oktober vom Fall des Afghanen Rahmatullah Ahmadzai, der, in Deutschland angekommen,

sich eigenständig ein Leben aufgebaut, schnell eine qualifizierte Arbeitsstelle gefunden (hat) – und das in einem gesuchten Beruf, nämlich als Landmaschinenmechaniker in einem Unternehmen in Amerdingen. Im Frühjahr aber wollte er endlich Gewissheit: Während andere jahrelang auf eine Anhörung warten, hat er sich dafür mit seinem Anwalt einen Termin erstritten, um eine legale Berechtigung als Grundlage zu haben. Genau das wurde ihm zum Verhängnis, denn nur drei Tage nach der Anhörung hatte er die Gewissheit, schwarz auf weiß: Der Asylantrag wurde abgelehnt.

 

Hamburg: Ali Reza Karimi – wohnungslos wegen zu kurzer Duldung

Die Hamburg-Ausgabe der taz berichtete am 26.12.16 über einen Fall in ihrer Stadt, wie akut drohende Abschiebung in die Illegalität führt und jegliche Hoffnung auf Verbleib in Deutschland versperrt:

Ali Reza Karimi muss sich verstecken: Seit der Sammelabschiebung nach Afghanistan am 14. Dezember fürchtet er, unter den Nächsten zu sein, die zwangsweise nach Kabul geflogen werden. Das könnte schon bald sein (…). Die Hamburger Ausländerbehörde hat schon angekündigt, sich wieder beteiligen zu wollen. Ein Termin sei der Behörde aber noch nicht bekannt, gab ein Sprecher an.

Als am 14. Dezember 34 afghanische Geflüchtete, darunter sieben aus Hamburg, von Frankfurt aus abgeschoben wurden, hatte Karimi Glück: Am Tag zuvor war er nach Berlin gefahren, um ein Dokument in der afghanischen Botschaft abzuholen. In der Zeit hätten PolizistInnen in dem Hostel, in dem er schlief, nach ihm gesucht, habe er hinterher erfahren. Seitdem war er nicht mehr dort. Zur Arbeit geht er auch nicht mehr – ein Bekannter von ihm sei von seinem Arbeitsplatz aus abgeschoben worden.

Karimi ist 28 Jahre alt und lebt seit sechs Jahren mit einer Duldung in Deutschland. Vor einem Jahr kam seine Frau nach, sie lebt in einer Geflüchtetenunterkunft in Lübeck. Ihr Asylverfahren läuft noch. Seit Sommer hat Karimi einen festen Arbeitsvertrag in einem Hamburger Krankenhaus. Nur eine Wohnung findet er nicht: „Mit einer Duldung, die alle drei Monate abläuft, nimmt dich kein Vermieter“, sagt er im Gespräch mit der taz. Anfang Dezember ist seine Duldung wieder abgelaufen. Aber in die Ausländerbehörde zu gehen, traut er sich nicht mehr – die Wahrscheinlichkeit, dass er festgenommen und abgeschoben wird, ist zu groß.

Hier weiterlesen.

 

Schließlich, wieder Bayern: 19-jähriger Afghane zündet sich in Supermarkt an

Das berichtete am 2.1.17 die Oberbayern-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung aus Gaimersheim im Kreis Eichstätt in Oberbayern. Der Asylbewerber habe sich mit Benzin übergossen, angezündet und dabei lebensgefährliche Verletzungen zugezogen.

Mitarbeiter des Supermarktes hatten den brennenden Mann entdeckt und sofort damit begonnen, die Flammen zu ersticken. Der 19-Jährige wurde von Rettungskräften in ein Krankenhaus gebracht. Nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord hatte der junge Flüchtling kurz nach Ladenöffnung den Supermarkt betreten und sich unauffällig in das Warenlager begeben. (…)

Die Motive für seine Verzweiflungstat seien derzeit noch unklar, hieß es. (…) Stephan Dünnwald, einer der Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, erklärte auf Anfrage, eine solche Entwicklung habe er bereits erwartet. Viele junge Afghanen stünden angesichts der sich häufenden Arbeitsverbote und der bereits vollzogenen Abschiebungen von Landsleuten „unter Strom“.

 

Warum Rätselraten über die Motive?

Liest mensch die oben dargestellten Fälle, dürften sich klare Ansätze für eine Motivsuche ergeben, gerade bei afghanischen Asylbewerbern. Oder wenn mensch diesen Artikel – wieder aus und über Bayern – liest: „Für Flüchtlinge wird es schwieriger, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen“ (SZ 2.1.17). Hier die Zusammenfassung:

  • Das Innenministerium macht es vielen Flüchtlingen künftig noch schwerer als bisher, eine Arbeitserlaubnis in Bayern zu bekommen.
  • Wer aufgrund seines Herkunftslandes eine geringe Bleibewahrscheinlichkeit hat, soll weniger Chancen auf eine Arbeitserlaubnis haben.
  • Einige Ausländerbehörden müssen die Anordnung, die wenige Tage vor Weihnachten erlassen wurde, offenbar bereits umsetzen.

Zu den Ländern mit „geringer Bleibewahrscheinlichkeit“ gehört bekanntlich auch Afghanistan. Und so heißt es in der SZ weiter:

Flüchtlingshelfer aus Garmisch-Partenkirchen etwa hätten berichtet, ihnen sei seitens der Ausländerbehörde mitgeteilt worden: Die Arbeitserlaubnis werde nun insbesondere Afghanen und Pakistanis entzogen. Ähnliches, so sagte Brand, sei aus Freising zu hören.

Ein weiteres Beispiel, wie Afghanen – trotz in 2016 über 50 Prozent Anerkennungsquote (siehe hier) – Asylbewerber zweiter Klasse bleiben (mehr hier) und ihnen systematisch die Integration verwehrt wird.