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Die nächste Sammelabschiebung abgelehnter afghanischer Asylbewerber aus Deutschland nach Kabul soll am 24. Oktober stattfinden, trotz – wie die vergangene Woche zeigte (darüber hier in Kürze mehr) – der sich weiter verschärfenden Sicherheitslage in Afghanistan. Das berichtete schon in der vergangenen Woche dpa unter Berufung auf den Bayerischen Flüchtlingsrat, afghanische Aktivisten sowie die Anwältin eines Abschiebekandidaten. Und es gibt eine Premiere: Diesmal wird der Flughafen Leipzig-Halle der Abflugsort des Abschiebe-Charterfluges sein, also in dem Bundesland, in dem die flüchtlingsfeindliche AfD bei der kürzlichen Bundestagswahl die zweitstärkste Kraft geworden war. (Der Flughafen liegt bei der sächsischen Stadt Schkeuditz.)

Bemerkenswert ist auch, dass die noch amtierende Große Koalition diese dann siebte Abschiebung seit Wiederaufnahme dieser Praxis Ende 2016 noch während der laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU, FDP und Grünen veranstaltet. Man darf besonders darauf gespannt sein, wie die Grünen auf diese Aktion reagieren werden – bisher hatten sie Abschiebungen nach Afghanistan weitgehend abgelehnt.

(Hier mein Bericht zur vorhergehenden Abschiebung und hier Gesamtzahlen zu Abschiebungen aus Deutschland und Europa bis Mitte Juli.)

Zunächst aber die bereits zitierte dpa-Meldung (hier im Original):

 

Nächster Abschiebeflug nach Afghanistan am 24. Oktober

18.10.2017, 15:39 Uhr | dpa 

Der nächste Abschiebeflug mit abgelehnten afghanischen Asylbewerbern aus Deutschland nach Kabul soll am 24. Oktober in Leipzig-Halle starten. Das Datum nannten am Mittwoch unter anderem der Bayerische Flüchtlingsrat, afghanische Aktivisten sowie die Anwältin eines Abschiebekandidaten. Das Bundesinnenministerium äußert sich vor Abschiebungen grundsätzlich nicht zu Details. In Leipzig laufen bereits Vorbereitungen für Protestaktionen, wie die sächsische Linke-Abgeordnete Juliane Nagel der dpa sagte.

Die Anwältin [eines] Abschiebekandidaten, Myrsini Laaser, sagte am Mittwoch, ihr Mandant sei am Morgen in seiner Unterkunft in Bayern festgenommen worden. Zwei weitere Afghanen sollen nach Auskunft von Flüchtlingsaktivisten schon länger in Bayern in Abschiebehaft sitzen. Wie viele Passagiere insgesamt mit dem Flug das Land verlassen sollen, blieb zunächst unklar.

Zuletzt waren nach monatelanger Pause Mitte September acht abgelehnte Asylbewerber aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hamburg nach Kabul abgeschoben worden. Grund für die Pause der seit Dezember 2016 ansonsten monatlichen Abschiebungen war ein massiver Anschlag mit rund 150 Toten nahe der deutschen Botschaft in Kabul im Mai. Danach hatten Bund und Länder Abschiebungen nach Afghanistan auf drei Gruppen beschränkt: Straftäter, Gefährder – also Menschen, denen die Polizei einen Terrorakt zutraut -, und jene, die „hartnäckig ihre Mitarbeit an der Identitätsfeststellung“ verweigern.

[Zur Frage der Straftäter hier und hier; zum dehnbaren Begriff der “Mitwirkungsverweigerer” hier bei Pro Asyl. Ein afghanischer “Gefährder” war nach den vorliegenden Informationen bisher nicht unter den Abgeschobenen, siehe hier.)

Wegen der drastisch verschlechterten Sicherheitslage Afghanistan sind Abschiebungen aber umstritten. Insgesamt wurden seit Dezember 2016 in sechs Abschiebeflügen nach offiziellen Angaben 114 Männer nach Afghanistan zurückgebracht.

 

[Aktualisierung 1, 23.10., 14.45 Uhr: Nach Informationen aus Kreisen von Flüchtlingsunterstützern heißt es, dass die Bundesländer Hamburg, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern sich auf alle Fälle an dieser Abschiebung beteiligen. Bayern allein soll beabsichtigen, sechs Afghanen abzuschieben, wobei es sich nicht ausschließlich um Straftäter und den anderen beiden Kategorien Zugehörige handeln soll.]

[3. Aktualisierung, 23.10.17, 19.15 Uhr: Die Rheinische Post (siehe hier) hat alle Landesinnenministerien zu ihrer Afghanistan-Abschiebepraxis abgefragt. Sie berichtet:

Mehrere Länder wollen sich nicht aktiv an Abschiebungen nach Afghanistan beteiligen, wie eine Abfrage unserer Redaktion bei den insgesamt 16 Innenministerien ergab. Demnach gab etwa das rot-rot-grün regierte Thüringen an, bisher niemanden nach Afghanistan abgeschoben zu haben und das auch künftig nicht zu planen. Ähnlich äußerte sich eine Sprecherin der Bremer Behörde. Das rheinland-pfälzische Integrationsministerium teilte unterdessen mit, in Einzelfällen Abschiebungen durchzuführen.

Man sei aber der Auffassung, dass dringend eine aktualisierte Einschätzung der Sicherheitslage erforderlich sei. Zudem halte man an der Bewertung fest, dass der Bund einen generellen bundesweiten Abschiebestopp für Afghanistan verfügen sollte. Der überwiegende Teil der Länder verweist jedoch auf die Einigung zwischen Bund und Ländern, wonach einzelne Straftäter, Gefährder und Identitätsverweigerer abgeschoben würden.]

Es verdichten sich aber Angaben, dass auch wieder Nicht-Straftäter unter den Abzuschiebenden befinden. Pro Asyl berichtete als erste:

Über Facebook hat [am 18.10.17] die Berliner Rechtsanwältin Laaser gepostet: »Heute wurde ein Mandant festgenommen und in Abschiebehaft verbracht. Er soll nächste Woche nach Afghanistan abgeschoben werden. Straftaten liegen nicht vor, Gefährder ist er auch nicht. In Afghanistan war er auch noch nie.«

[Aktualisierung 3, 23.10., 18.00 Uhr: Die Tagesschau berichtete inzwischen etwas detaillierter über den Fall:

Die Berliner Anwältin Myrsini Laaser berichtet von einem betroffenen Mann, der am vergangenen Mittwoch in Abschiebehaft genommen worden sei. Ihr Mandant sei offensichtlich weder Straftäter noch Gefährder. Außerdem sei seine Identität zweifelsfrei geklärt. Das geht auch aus dem Haftbefehl gegen ihn hervor. Darin heißt es, gegen den Mann – der seit zwei Jahren in Deutschland lebt – seien nach Kenntnis der zuständigen Behörde keine strafrechtlichen Ermittlungsverfahren anhängig.

Laaser kritisiert, dass durch die Ankündigung der Regierung, nur Straftäter und Gefährder abzuschieben, jetzt auch ihr Mandant einem solchen Verdacht unterliege. Sie befürchtet, dass er dadurch in Afghanistan in Gefahr geraten könne – wegen einer „unverhältnismäßigen Strafverfolgung“, da auch die Behörden in Kabul nicht darüber informiert würden, wer konkret abgeschoben werde.

Aus dem ARD-Bericht geht hervor, dass der Afghane offenbar in Bayern festgenommen wurde – damit würde sich meine Vermutung in der Originalfassung dieses Blogeintrags erübrigen, dass sich auch Berlin an dieser Sammelabschiebung beteiligen würde.]

[3. Aktualisierung, 23.10.17, 19.15 Uhr: Dem Bayerischen Flüchtlingsrat zufolge (hier zitiert) fallen sogar „[m]ehrere der jetzt von Bayern in Abschiebehaft genommenen Afghanen aus diesen Kategorien heraus“, so Sprecher Stephan Dünnwald. „Es seien auch Personen darunter, denen mehrheitlich Bagatelldelikte zur Last gelegt würden. ‚Erst in der Summe überschreiten diese Straftaten die Bagatellgrenze von 50 Tagessätzen‘, so Dünnwald. In einem Fall sei die Person psychisch krank und bräuchte medizinische Hilfe statt einer Abschiebung.“]

Der in Bayern ansässige Kinderarzt Thomas Nowotny, der seit Anfang des Jahres eine Petition für einen vollständigen Abschiebestopp nach Afghanistan lanciert hatte (siehe hier), berichtet von Protesten gegen die offenbar vorgesehene Abschiebung eines jungen Afghanen aus dem Raum Memmingen:

Reza ist im Iran geboren und wohnt seit 2015 in Bad Grönenbach. Sein Asylantrag wurde als einziger aus seiner Familie abgelehnt. Seine Schwestern und seine Mutter haben einen Aufenthaltstitel erhalten, nur er nicht. Reza ist nie straffällig geworden oder hat sich irgendetwas zu Schulden kommen lassen. Sein einziges „Verbrechen“ war es gemeinsam mit seiner Familie nach einem besseren Leben zu suchen und nach seinem negativen Asylbescheid nicht freiwillig in ein Land zu gehen dass er noch nie gesehen hat.
Reza war noch nie in Afghanistan und spricht auch die Landesprache nicht. Er kennt dort niemanden.

Reza ist gelernter Steinmetz und hätte in Deutschland sehr schnell eine gute Arbeit finden können, wenn ihm nicht von Anfang an Steine in den Weg gelegt worden wären. Keine Zulassung zum Integrationskurs, Arbeitsverbot etc. (…)

In letzter Zeit wurde von der Politik immer behauptet das es sich bei den Personen die nach Afghanistan „zurück geführt“ werden um Gefährder und Straftäter handelt. Das ist jedoch nur eine schlechte Ausrede um die umstrittenen Abschiebung nach Afghanistan vor der Bevölkerung zu rechtfertigen. (…) Reza wurde am Mittwoch in der früh festgenommen (…).

 

In Leipzig organisiert die Kampagne Zendegi (hier und hier, mit Aufruf) Proteste. Die ersten Aktionen sind bereits im Gang. Wie der MDR und andere lokale Medien berichteten, protestieren seit Sonnabend “auf dem Augustusplatz in Leipzig mehrere Menschen gegen eine geplante Abschiebung von Flüchtlingen nach Afghanistan.”

Um die Angst vor Geflüchteten zu nehmen, haben die Aktivisten auf dem Augustusplatz unter anderem Workshops zu Asyl und Abschiebung organisiert sowie offene Gesprächsrunden mit deutschen Staatsbürgern. Man wisse sehr wohl, dass eine Demonstration oder ein Protest die Abschiebung nicht stoppen werde, heißt es in einer Erklärung der Kampagnenmacher. MIt dieser Aktion und auch den folgenden solle aber auch ein Weg gefunden werden mit und in der deutschen Gesellschaft einen Dialog über das Thema „Abschiebung“ zu beginnen.

Protest gegen Abschiebungen nach Afghanistan vor dem Gewandhaus in Leipzig. Quelle: Zendegi

 

[Aktualisierung 2, 23.10., 14.50 Uhr: Ein heute mittag veröffentlichter Beitrag von Spiegel online hebt noch einen weiteren merkwürdigen Aspekt der Abschiebungen hervor. Demzufolge wird die Abschiebung stattfinden, obwohl das Bundesverkehrsministerium „im Namen der Bundesregierung erst am 17. Oktober alle deutschen und europäischen Airlines gewarnt [hatte], den Flughafen von Kabul wegen drohender Raketenangriffe nicht anzusteuern und das Land nur in großer Höhe zu überfliegen.“ Weiter heißt es:

Die Warnung des Verkehrsressorts, welche die europäische Flugsicherheitsagentur Easa versandte, ist drastisch: Demnach drohen für den Flughafen Kabul jederzeit „gezielte Flugabwehr-Attacken“ und Beschuss durch kleine Raketen. Zudem müsse man immer mit „Angriffen auf das Aerodrom“, also den zivilen Flughafen [ich habe eher den Eindruck, hier ist der direkt benachbarte militärische Teil des Flughafens gemeint], rechnen. Die Warnung geht auf einen massiven Angriff zurück, der den Besuch des US-Verteidigungsministers James Mattis Ende September überschattete. Kurz nach seiner Landung schlugen auf dem Flughafengelände gut ein Dutzend Raketen ein, es gab mehrere Todesopfer. Mattis selbst war bereits per Helikopter abgeflogen. [Das heutige Treffen zwischen dem afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani und dem besuchenden US-Außenminister Rex Tillerson fand deshalb offenbar in einem Bunker statt (Foto hier).] (…)

Das Innenministerium hält weitere Abschiebeflüge trotzdem für legitim. Ein Sprecher sagte dem SPIEGEL, der Sicherheitshinweis sei nicht „auf Grundlage der Bewertungen deutscher Sicherheitsbehörden verfasst“. Da es sich nicht um ein Verbot handele, seien ‚Abschiebungen im bekannten Rahmen weiterhin möglich und auch vertretbar‘. (…) Die Warnung spielte das [für die Abschiebungen zuständige] Innenressort herunter. Demnach seinen solche Meldungen für Kabul ’nichts Ungewöhnliches und bestehen so oder ähnlich bereits seit Jahren‘. Zudem würden sich die Anschläge dort nur gegen den militärischen Flugbetrieb und nicht gegen zivile Airlines richten, welche die Abschiebungen für Deutschland durchführen.“

Hier wird wieder einmal das oft verwendete, doch fadenscheinige Argument abgewandt, Angriffe „richteten“ sich nicht gegen Zivilisten – doch gegen wen Angriffe gerichtet sind und wen sie letzten Endes treffen, unterscheiden sich halt in der Praxis. Richtig ist, dass es – so weit bekannt – bisher keine Taleban-Raketenangriffe direkt gegen Zivilflugzeuge gegeben hat – im Gegensatz zur Praxis der Mudschahedin in den 1990er Jahren. Dann hätten die internationalen Flugsicherheitsbehörden Kabul wohl längst gesperrt. Aber, wie der Spiegel weiter berichtet:

Bei der jüngsten Attacke berichteten Passagiere von Air India, wie sie die Einschläge aus ihrem Jet beobachteten und um ihr Leben bangten.

Das ist aber noch nicht alles. Der Spiegel schreibt weiter:

Für die eigenen Leute haben die Behörden bereits vorgesorgt. So gilt für die Bundespolizei bei Abschiebungen die Regel, dass die Begleit-Beamten den Airport wegen der fragilen Sicherheitslage nicht verlassen und sofort mit der gleichen Maschine nach Deutschland zurückfliegen müssen.

Stimmt. Sie verlassen sogar das Flugzeug nicht, betreten also formal nicht afghanisches Territorium. Sie fliegen dann aber wohl nicht gleich direkt wieder nach Hause, denn Beamten stehen Ruhezeiten zu. Also geht es wohl immer erst nach Abu Dhabi oder zu anderen Zielen, für eine Ruhepause. Das sind jedenfalls die nächsten Zielorte, die in der Vergangenheit den afghanischen Flugbehörden genannt wurden.]

 

Im übrigen führten am 13.10. auch Österreich und Schweden einen weiteren gemeinsamen Abschiebeflug mit insgesamt 20 Insassen (Quelle: Tolonews) nach Afghanistan durch. Er war in Göteborg gestartet und über Wien nach Kabul geflogen. Unter den Deportierten war – wie die afghanische Hilfsorganisation AMASO (hier ihre Webseite und hier die Facebook-Seite) berichtet – ein frischoperierter nierenkranker Patient, der direkt aus der Klinik abgeschoben wurde. Österreichische Medien berichteten zusammenfassend:

Österreich brachte nach Angaben aus dem Innenministerium vom vorigen Donnerstag in den ersten acht Monaten des Jahres 2017 insgesamt 536 Afghanen außer Landes – davon 363 unter Zwang (83 nach Afghanistan und 280 gemäß den Dublin-Regeln in den zuständigen EU-Staat). 173 Personen kehrten laut Ministerium „freiwillig“ in ihre Heimat zurück.

AMASO hat einige dieser Abgeschobenen in Kabul getroffen (Berichte hier und hier) und berichtet (hier) zudem über die Abschiebung einer Familie indischer Sikhs aus den Niederlanden.

 

Zurück nach Deutschland: Hier fordert Pro Asyl in einer Stellungnahme vom 19.10.17 ein Moratorium von Abschiebungen nach Afghanistan:

»Es gibt gegenwärtig überhaupt keinen sachlichen Grund, demonstrativ den nächsten Sammelcharter starten zu lassen. Ein Moratorium ist das Gebot der Stunde. Das Auswärtige Amt (AA) muss noch im Oktober endlich den berechtigten Erwartungen von Gerichten und Behörden nachkommen und einen neuen »Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage« vorlegen,« forderte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.

Der letzte Bericht stammt vom Oktober 2016 und ist veraltet. PRO ASYL äußert die Erwartung, dass endlich klar gesagt wird, wo die angeblich sicheren inländischen Fluchtalternativen liegen und die asylrechtlich relevanten Fakten zur »Zumutbarkeit und Erreichbarkeit« der angeblich sicheren Gebiete veröffentlicht werden. Letztere sind wohl kaum gegeben. Selbst das Auswärtige Amt muss zugeben, dass Überlandstraßen von Taliban häufig blockiert werden und dass Aufständische in mehr Provinzen aktiv sind, als noch im letzten Jahr.

Auf dieser Faktenbasis kann man aber auch nicht einfach pauschal behaupten, »Straftäter, Gefährder und hartnäckige Identitätsverweigerer« könnten weiterhin abgeschoben werden. PRO ASYL weist daraufhin, dass diese Begriffe unbestimmt dehnbar sind und man zudem regelmäßig Asylsuchenden unterstellt, ihre Identität getäuscht zu haben. In jedem Einzelfall müssen die Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) erfüllt sein, Behauptungen genügen nicht. Artikel 3 der EMRK gilt absolut, in jedem Einzelfall.

Über Facebook hat die Berliner Rechtsanwältin Laaser gepostet: »Heute wurde ein Mandant festgenommen und in Abschiebehaft verbracht. Er soll nächste Woche nach Afghanistan abgeschoben werden. Straftaten liegen nicht vor, Gefährder ist er auch nicht. In Afghanistan war er auch noch nie.«

Die Lage in Afghanistan wird immer gefährlicher und die Zahl der zivilen Opfer durch Luftangriffe steigt wie die UNO berichtet. Die Taliban haben in verschiedenen Landesteilen ihre Offensiven verstärkt, die innerhalb einer Woche mindestens 85 Todesopfer forderten, darunter viele Zivilisten. Als Reaktion auf die verschlechterte Sicherheitslage hatte das Internationale Rote Kreuz seine Büros im Norden Afghanistans geschlossen bzw. verkleinert – darunter auch in der Region Balkh, die noch vergangenes Jahr von deutschen Behörden als sicher deklariert wurde. Über 20.000 Menschen sind allein in der Woche vom 9.-15.Oktober 2017 innerhalb Afghanistans aus ihrer Heimat geflohen, berichtet UNOCHA, seit Januar sind es mehr als 280.000. Insgesamt sind damit rund zwei Millionen Personen – teilweise seit vielen Jahren – im eigenen Land auf der Flucht. Ende 2016 waren es 1,8 Millionen. Die Zahl der Binnenvertriebenen steigt seit Jahren: von rund 350.000 im Jahr 2010 auf 805.000 im Jahr 2014, und zuletzt auf 2.080.000 Personen im Oktober 2017.

Über ein Drittel der in diesem Jahr Binnenvertriebenen stammen aus dem Norden, in dem auch die Bundeswehr stationiert war. Mittlerweile machen sich dort offenbar als Taliban-Konkurrenz auch immer mehr lokale IS-Ableger breit. Eine weitere Eskalation ist zu erwarten. Dazu trägt auch die neue Strategie von US-Präsident Trump bei, die dafür sorgt, dass der September ein »Rekordmonat für abgefeuerte Munition in Afghanistan seit 2012« war.

In diese Situation hinein werden unbeirrt weiter Menschen abgeschoben. Amnesty International hat nun einen ausführlichen Bericht veröffentlicht, in dem auch auf die persönliche Situation einiger Rückkehrer aus verschiedenen europäischen Staaten eingegangen wird. Die Erzählungen sind erschütternd. Unter anderem wird der Fall einer afghanischen Mutter dokumentiert, deren Ehemann nur wenige Monate nach der Abschiebung der Familie aus Norwegen entführt und ermordet wurde.

Hinweis: PRO ASYL hat in einer umfangreichen Stellungnahme zu den Lageberichten des AA deren mangelnde fachliche Qualität belegt.

 

Nowotny postete zudem folgende aktuellen Warnhinweise und Informationen:

Flüchtlinge aus Afghanistan sind von Abschiebung bedroht – jedoch nicht alle, die Mehrheit von ihnen ist vor der Abschiebung sicher. Hier finden Sie Informationen und Materialien, wer überhaupt von der Abschiebung bedroht ist und welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, doch noch eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen.