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[Dieser Blogeintrag wird über die nächsten Tage laufend aktualisiert – also bitte immer mal wieder reinsehen.]

Deutschlands 37. monatlicher Afghanistan-Sammelabschiebeflug ist am Mittwochmorgen (10.3.2021) in der afghanischen Hauptstadt eingetroffen, wie dpa unter Berufung auf Beamte am Flughafen berichtete. An Bord hätten sich 26 abgeschobene Männer befunden. Damit haben Bund und Länder seit der ersten derartigen Sammelabschiebung im Dezember 2016 insgesamt 1015 Menschen, ausschließlich Männer, nach Afghanistan zurückgeführt.

Aus Unterstützerkreisen für Flüchtlinge hieß es, bisher sei die Beteiligung von sieben Bundesländern an dieser Abschiebung bestätigt: Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Saarland, Baden-Württemberg und Bayern. [Aktualisierung 10.3., 13.55 Uhr: Nach Information des Flüchtlingsrates in Niedersachsen war gestern auch dieses Bundesland an der Sammelabschiebung nach Kabul beteiligt, es wurde „also nicht nur der Flughafen genutzt, sondern [es waren] auch Personen betroffen , die in Niedersachsen lebten .“ Es habe sich um Vorbestrafte gehandelt. Die genaue Zahl ist nicht bekannt – hier zur vollständigen Pressemitteilung.]

[Aktualisierung 11.3.21, 23.00 Uhr: Nach Angaben in der Boulevardpresse kamen die Abgeschobenen aus insgesamt 12 Bundesländern, angeblich alles Straftäter – aber dazu wurden in der Vergangenheit auch schon falsche Angaben gemacht (siehe dieser NDR-Bericht). In drei weiteren Bundesländern erfragten die örtlichen Flüchtlingsräte dann zusätzliche Angaben. Denen zufolge schob Niedersachsen drei Menschen ab; je zwei Menschen kamen auch aus Rheinland-Pfalz und aus Sachsen; für Berlin wurde eine Person bestätigt, aber ist blieb unklar, ob er der einzige war. Außerdem schoben wohl Schleswig-Holstein und Thüringen ab.

Die Boulevardpresse sprach sogar von einer „geheimen“ Abschiebung. So geheim allerdings nicht, denn offnbar wurde dem Blatt erlaubt, nahe genug für ein Foto heranzukommen. Es konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen: „So viel Betrieb war zu Corona-Zeiten selten am Airport!“ Nicht witzig.

Aber es könnte sich tatsächlich um eine neue Herangehensweise der deutschen Behörden an Abschiebungen nach Afghanistan handeln, nicht einmal Bayerns Landesamt für Asyl und Rückführungen, das damit sonst immer relativ schnell bei der Hand war, meldete diesmal Zahlen.]

Bereits am Abend des Abflugs war bekannt geworden, dass dieser Abschiebeflug von Flughafen Hannover gestartet war. Es habe sich um eine Boeing 767 der spanischen Fluggesellschaft Privilege Style, registriert unter dem Kennzeichen EC-LZO, gehandelt. Diesen Informationen zu Folge pendele es ansonsten für die Bundeswehr zwischen dem Bundeswehrhauptstandort in Afghanistan, Masar-e Scharif, und dem Flughafen Köln/Bonn. Die Gesellschaft hat wohl auch vorangegangene Abschiebe-Charterflüge nach Kabul durchgeführt, darunter den deutschen am 12.1.2021 ab Düsseldorf sowie den von der EU-Grenzagentur Frontex organisierten Flug am 24.2.2021, an dem sich Schweden, Österreich, Belgien, Luxemburg, Bulgarien, Ungarn und die Slowakei beteiligten – allerdings nicht Deutschland, das seine eigenen Flüge durchführt.

Pro Asyl erklärte gestern zum neuesten Abschiebeflug:

„Es ist unerträglich, dass die Innenminister*innen einiger Bundesländer mit stoischer Gleichgültigkeit ungeachtet der Lage Abschiebungen durchziehen“, so Günter Burkhardt. PRO ASYL hat wiederholt dargelegt, dass die Sicherheitslage katastrophal ist und es in Afghanistan keine sicheren Gebiete gäbe, in die Geflüchtete zurückkehren könnten. Hinzu kommt die Pandemie, der zunehmend Gerichte, nicht aber die abschiebewilligen Behörden, Rechnung tragen.

Unterdessen legte Die Linke Zahlen vor, denenzufolge im vergangenen Jahr Gerichte in beinahe 8.390 von knapp 21.170 Fällen von Klagen afghanischer Asylbewerber gegen die Ablehnung deren Asylanträgen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) revidierten. Das gehe ,aus einer Auskunft des Bundesinnenministeriums an die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, hervor. Das entspricht knapp 60 Prozent aller Klagen, wenn man die 7.270 „sonstigen Erledigungen“ hinzurechnet, in denen die Richter keine inhaltliche Entscheidung trafen. In den weitaus meisten Fällen (6.435) konnten die Betroffenen allerdings lediglich ein Abschiebungsverbot erstreiten. Das heißt, ihr Aufenthalt in Deutschland ist nicht langfristig gesichert.

Unterdessen legte die afghanische Regierung Gesamtzahlen für im Jahr 2020 eingetroffene Abgeschobene vor: Nach Angaben von Nur Rahman Achlaqi, dem afghanischen Minister für Flüchtlinge und Rückkehrer seien 2020 abgelehnten afghanische Asylbewerber aus folgenden Ländern/Regionen abgeschoben worden: USA – 43; Europa – 935 (aus Deutschland corona-bedingt „nur“ 137, denn von April bis November fanden keine Abschiebeflüge statt); Türkei – 11.929. Zudem habe Pakistan 731.000 Afghanen zurückgeschoben. So weit ich weiß, gibt es dort kein Asylverfahren nach europäischem Muster.


Gesamtübersicht der bisherigen deutschen Abschiebeflüge

Gesamtzahl seit Dez. 2016:

1015 (1014) (Die afghanischen Behörden lehnten beim Abschiebeflug vom Februar 2021 laut dpa die Aufnahme eines Mannes nach eigenen Angaben ab. Ein Sprecher des afghanischen Flüchtlingsministeriums sagte, dass der Mann vorläufig in ein Gasthaus in Kabul gebracht werde. Es ist bisher nicht klar, ob der Mann noch in Afghanistan ist oder wieder nach Deutschland zurückkehren konnte – siehe hier.)

2021:

März: 26

Feb.: 26 (25)

Jan.: 26

2020:

Dez: 30

April-Nov.: coronabedingte Aussetzung

März: 39

Feb: 31

Jan: 37

Summe 2020: 137

2019:

Dez: 44

Nov: 36

Okt: 44

Aug: 31

Juli: 45

Juni: 11

Mai: 24

April: 32

März: 21

Feb: 38

Jan: 36 (einer von den afghanischen Behörden zurück geschickt, d.h. 35)

2019 insgesamt: 361

2018:

Dez: 14

Nov: 42

Okt: 17

Sept: 17

August: 46

Juli: 69

Juni: —

Mai: 15

Apr: 21

März: 10

Feb: 14

Jan: 19

Summe 2018: 284

2017:

Dez: 27

Nov: —

Okt: 14

Sept: 8

Mai-Juli: —

Apr: 14

März: 15

Feb: 18

Jan: 25

Summe 2017: 121

2016:

Dez: 34